Balthasar Müller* wächst mit mehreren Geschwistern unter ärmlichsten Verhältnissen auf. Seine Mutter ist extrem gewalttätig und misshandelt ihn bereits im Kindergartenalter. Die Gewaltexzesse haben sich tief in seine Seele eingebrannt. Sein Tagebuch wird zum Rettungsanker. Ein Auszug:
"Ich fühle mich schlecht. Warum? Schlecht fühlen, was ist das eigentlich? Dass mein Bauch mich drückt, dass ich nicht weiß, wohin mit meinen Gefühlen. Mir fehlt ein Gesprächspartner. Was fühle ich eigentlich?
Ich würde mich gerne bei jemandem ausweinen und weiß nicht, warum. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, fällt mir diese Szene wieder ein, die mir zurzeit immer einfällt, wenn ich an meine Mutter denke.
Ich bin zehn oder elf Jahre alt. Es ist ein schöner Nachmittag und ich fahre mit meinem Fahrrad immer um den Häuserblock herum, als mich meine Mutter ruft und sagt, ich soll Mondamin einkaufen. Es ist Nachmittag und sie braucht das Zeug erst am nächsten Tag und ich rufe ihr zu: 'Ich habe jetzt keine Lust', weil ich abends sowieso immer Milch holen muss, und fahre einfach weiter.
Wahnsinn in den Augen meiner Mutter
Nach einer Weile gehe ich mit meinem Vater in den Keller, um ihm dort bei irgendetwas zu helfen. Plötzlich kommt meine Mutter in den Keller. Sie stößt einen unkontrollierten Wutschrei aus. Der Wahnsinn spiegelt sich in ihren Augen, sie packt einen Besen, der an der Wand lehnt, und schlägt damit zu.
Wenn ich das so aufschreibe, bekomme ich einen Weinkrampf. Ich spüre noch heute richtig ihre Schläge, auf Rücken, Kopf und Unterschenkel, und auf die Arme, die ich schützend vor meinen Kopf halte.
Der Besenstiel geht zu Bruch, sie packt eine Hälfte und schlägt damit noch wütender auf mich ein, bis das Stück in lauter kleine Teile zerbrochen ist, die zum Zuschlagen zu klein sind. Dann packt sie die andere Hälfte des Besenstiels und schlägt weiter wie besinnungslos auf mich ein, bis auch dieses Stück in kleine Teile zerbrochen ist.
Die Erinnerung an meinen Vater setzt in dem Moment aus, wo diese Sau von Mutter auf mich eindrischt. Er hat mich nicht verteidigt, das Schwein. Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, dass ich allein auf der Welt bin und mir niemals jemand helfen würde, egal was mir passiert. Abends habe ich mich dann ins Bett verkrochen, einen Hass und eine Wut und meine Schmerzen im Bauch, und mir vorgenommen, nie wieder zu weinen.