Pfleger erneut vor Gericht:Niels Högel spricht über seine ersten mutmaßlichen Todesopfer

Prozess gegen Krankenpfleger Niels Högel

Niels Högel am zweiten Prozesstag im Gericht in Oldenburg.

(Foto: dpa)
  • Es ist der zweite Tag des Prozesses gegen den wegen 100-fachen Mordes angeklagten Ex-Pfleger Niels Högel.
  • Högel wird zu jeder einzelnen der ihm vorgeworfenen Taten befragt.
  • Der 41-Jährige ist wegen sechs anderer Fälle bereits zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden und gilt als voll schuldfähig.

Der wegen 100-fachen Mordes angeklagte Ex-Pfleger Niels Högel hat vor Gericht ausgesagt, sich an die erste mutmaßliche Tat nicht erinnern zu können. Er könne zu dem Tod einer Patientin im Februar 2000 auf einer Intensivstation in Oldenburg nichts sagen, sagte der 41-Jährige vor dem Landgericht. Die Tötung eines Patienten im Juli 2000 bestritt er. "Das ist einer der wenigen Patienten, bei denen ich sagen kann, dass ich da keine Manipulation vorgenommen habe." Einen dritten Fall gestand er.

Der frühere Krankenpfleger ist wegen des Todes von sechs Patienten in Delmenhorst bereits 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Damals attestierte ihm das Gericht volle Schuldfähigkeit.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in dem neuen Prozess vor, 100 Patienten in Oldenburg und Delmenhorst zwischen Februar 2000 und Juli 2005 mit Injektionen getötet zu haben. Zum Prozessauftakt vor drei Wochen hatte er auf die Frage, ob die Vorwürfe weitgehend zuträfen mit "ja" geantwortet.

Nach Ansicht der Ermittler spritzte Högel seinen Opfern Medikamente in tödlicher Dosis, um sie danach wiederbeleben zu können. Dadurch wollte er seine Kollegen mit seinen Reanimationskünsten beeindrucken. Ihm sei es allein um den Nervenkitzel und die Anerkennung gegangen, nicht darum, Patienten gezielt zu töten - oder sie gar von ihrem Leid zu erlösen, betonte Högel. Die genaue Zahl seiner mutmaßlichen Taten lässt sich nicht mehr klären. Bei manchen Patienten provozierte er mehrmals tödliche Zwischenfälle und holte sie zurück ins Leben. Viele von denen, die nicht überlebten, wurden eingeäschert, so dass die Ermittler Rückstände der Tod bringenden Medikamente nicht mehr nachweisen konnten.

Für jeden Fall wird die Schuld einzeln festgestellt

Wie schwierig die Wahrheitssuche in der wohl größten Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte werden wird, zeigte sich am zweiten Prozesstag an diesem Mittwoch ganz deutlich. Die Richter befragten Högel erstmals ausführlich zu den einzelnen Taten. Dieses Vorgehen sei notwendig, um jeden Fall aufzuklären und jeweils die Schuld festzustellen, sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann. An einige seiner mutmaßlichen Opfer erinnerte er sich genau, an andere gar nicht. Dass er diese getötet haben könnte, schloss er aber auch nicht aus. "Ich kann mir keinen anderen vorstellen, der sowas tut."

Der Tod seiner Patienten habe ihn damals nicht berührt, sagte Högel. "Trauer habe ich in dem Sinne nicht empfunden." Heute fühle er angesichts seiner Taten Scham und Ekel vor sich selbst. Zuvor hatte er die Patientenakten studiert, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. "Jeder einzelne Fall, den ich lese, egal ob ich mich erinnere oder nicht, tut mir unendlich leid."

Zur Vorbereitung auf den Prozess hatte der 41-jährige Angeklagte einen besonders geschützten Laptop mit ins Gefängnis bekommen. Darauf sind Fotos und die Krankengeschichten seiner mutmaßlichen Opfer gespeichert. An dem Prozess vor der 5. Strafkammer des Oldenburger Landgerichts beteiligen sich mehr als 120 Angehörige der Opfer als Nebenkläger.

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