Als der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio sich vor den Mikrofonen und den Kameras an die Bürger der Stadt wandte, sagte er das Wichtigste zuerst: "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es sich um einen terroristischen Angriff handelte. Es besteht keine Gefahr für die New Yorker." Genau das war zunächst die größte Sorge in der Stadt gewesen, nachdem am frühen Montagnachmittag ein Hubschrauber auf einem Bürogebäude in Midtown Manhattan zerschellt und in Flammen aufgegangen war. Zu lebendig ist die Erinnerung an den 11. September 2001, als Terroristen zwei Flugzeuge in das World Trade Center gesteuert und Tausende Menschen in den Tod gerissen hatten.
Bei dem Unglück kam ein Mensch ums Leben, nach allem, was man weiß, handelt es sich um den Piloten. Er war die einzige Person an Bord. Weitere Tote oder Verletzte gibt es nicht. Zunächst war unklar, was die Ursache des Absturzes gewesen war. Nun haben mit den Ermittlungen betraute Beamte neue Details zum Hergang öffentlich gemacht. Der Pilot habe bei dichtem Nebel per Funk mitgeteilt, dass er sich verirrt habe. In dem Funkruf am Vortag habe er erklärt, er versuche zu einem Heliport zurückzukehren, von dem er zuvor gestartet sei. Doch könne er ihn nicht finden.
Am Montag herrschte äußerst schlechte Sicht in New York, die Spitzen der Wohn- und Bürotürme Manhattans verschwanden in den Wolken. Zudem regnete es fast den ganzen Tag über heftig. Hubschrauberflüge für Touristen werden bei solchen Bedingungen abgesagt. Der abgestürzte Helikopter wurde offenbar vorwiegend von Geschäftsleuten gechartert.
Von Passanten aufgenommene Videos zeigen, wie der Helikopter südlich vom Heliport in der Luft verharrt, dann umdreht und in nördlicher Richtung mit unberechenbarer Flugbahn bei tief hängenden Wolken zurückfliegt, ehe er in Manhattan auf ein Wolkenkratzerdach stürzt.
Mehreren Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Toten um einen erfahrenen Piloten namens Tim McCormack, der schwierige Situationen zu meistern wusste. Die New York Times zitiert einen ehemaligen Arbeitgeber des Piloten: Demnach habe vor einigen Jahren während eines Fluges mit Passagieren ein Vogel die Windschutzscheibe von McCormacks Helikopter durchschlagen. Dieser habe die Passagiere beruhigt und sei sicher gelandet.
Am Montag startete McCormack um 13:32 Uhr am Heliport an der 34th Street am East River in Manhattan. Wohin er fliegen wollte, ist nicht klar. Sein Hubschrauber ist normalerweise im Süden New Jerseys stationiert, doch dahin hätte ihn eine andere Route geführt. Passanten beobachteten, kurz nachdem McCormack gestartet war, einen Hubschrauber, der auf seltsame Weise über den East River flog, mal aufsteigend, mal absteigend, von einer Seite zur anderen torkelnd. Die Behörden waren zunächst davon ausgegangen, dass es sich um McCormack handelte, der entweder ein technisches Problem mit dem Helikopter hatte oder selbst gesundheitlich angeschlagen war. Elf Minuten nach dem Start krachte er auf das Dach des Hochhauses an der Kreuzung von 7th Avenue und 51st Street.
Es gibt kaum eine belebtere Gegend in Manhattan. Der Ort des Absturzes liegt exakt zwischen Times Square und Central Park. Um diese Uhrzeit sind dort nicht nur unzählige Touristen unterwegs, sondern auch viele Menschen aus den umliegenden Gebäuden, die ihre Mittagspause in den Cafés und Restaurants von Midtown verbringen. Wäre der Hubschrauber auf die Straße gestürzt, hätte das katastrophale Auswirkungen haben können.
Das Management des betroffenen Gebäudes beschied den Menschen in den Büros zunächst, an ihren Schreibtischen zu bleiben. Vier Minuten nach dem Crash waren Feuerwehr und Polizei am Unglücksort, die Flammen wurden schnell gelöscht. Dann wurde das Gebäude evakuiert. Den Einsatzkräften zufolge sei das in Ruhe und diszipliniert abgelaufen. Ein Mann, der in dem Gebäude arbeitet, sagte dem Sender CNN, es sei sehr langsam vorwärts gegangen, aber es habe keine Panik gegeben. Alle hätten auf ihre Smartphones geschaut, um herauszufinden, was genau gerade über ihren Köpfen passiert war.
Im Sekundentakt trafen anschließend Dutzende und Aberdutzende Einsatzwagen von Polizei und Feuerwehr ein, dazu Krankenwagen, und es war vermutlich dieses durchdringende Konzert der Sirenen, das die New Yorker am meisten beunruhigte. Es klang, als sei erneut etwas Fürchterliches von großem Ausmaß passiert. "Als New Yorker hat man posttraumatischen Stress wegen des 11. Septembers", sagte Gouverneur Andrew Cuomo, "ich kann mich an diesen Morgen nur allzu gut erinnern." Diese Erinnerung war bis zur Entwarnung des Bürgermeisters Bill de Blasio für einige Stunden allgegenwärtig.
Das Gebäude, auf dem McCormack offenbar notlanden wollte, verfügt nicht über einen Landeplatz für Hubschrauber. Es gibt mittlerweile in ganz Manhattan nur noch drei Heliports auf den Dächern von Wolkenkratzern. Die Flugrouten sind streng reglementiert und führen normalerweise über den East River oder den Hudson River, also nicht über bewohntes Gebiet. Um mitten über Midtown Manhattan fliegen zu dürfen, hätte McCormack sich eine Erlaubnis vom Flughafen La Guardia einholen müssen. Das hatte er offenbar nicht getan.
Unfälle mit Hubschraubern passieren nicht häufig in New York, aber sie sind auch keine Rarität. Zuletzt stürzte im vergangenen Jahr eine Maschine mit fünf Touristen über dem East River ab. Lediglich der Pilot überlebte. Mehrere Bürgerinitiativen fordern seit Langem, den Hubschrauberverkehr über und rund um New York drastisch einzuschränken. Diese Forderungen dürften jetzt wieder lauter werden.