SZ-Kolumne "Bester Dinge":Endlich Klartext

(Foto: Sonja Bauer)

Wer nicht versteht, um was es sich bei der Spontanvegetation an der Einfriedung handelt, sollte vielleicht nach Neuseeland auswandern. Dort soll Behördensprache nun abgeschafft werden.

Von Kerstin Lottritz

Im Fall des unbeschulten minderjährigen Kindes, das aufgrund seiner rotgefärbten Kopfbedeckung weitläufige Bekanntheit erlangt hat und gemeinsam mit seiner pflegebedürftigen Großmutter durch einen polizeibekannten Wolf ohne festen Wohnsitz verschlungen wurde, konnten die Geschädigten durch einen Waldbeamten und unter Zuhilfenahme einer Stichwaffe in Sicherheit gebracht werden.

Eine Pressemitteilung der Polizei über das Schicksal von Rotkäppchen, wie die Zeit sie so ähnlich vor fast 40 Jahren veröffentlich hat, hat es natürlich nie gegeben. Die Brüder Grimm waren keine Polizisten, sondern Sprachwissenschaftler, die nicht nur Märchen, sondern auch das "Deutsche Wörterbuch" zur Herkunft und vor allem zum Gebrauch jedes deutschen Wortes erfunden haben. Würden sie heute in einem amtlichen Schreiben dazu aufgefordert werden, die Spontanvegetation an ihrer unerlaubt errichteten nicht lebenden Einfriedung unverzüglich zu entfernen, sie wüssten wohl dennoch nicht, was sie tun sollten. Beamtendeutsch ist manchmal mindestens so rätselhaft wie ein Märchenwald.

In Neuseeland, so berichtet der britische Guardian, pochen Politiker nun auf das Recht des Einzelnen, Informationen von Verwaltung und Politik verstehen zu können. So ein Klartext-Gesetz wäre auch in Deutschland wünschenswert. Dann wäre im Brief der Kreisverwaltung mit dem Aktenzeichen BD-2309-2022 einfach nur zu lesen: "Mach das Unkraut an Deinem Gartenzaun weg, sonst musst Du ordentlich blechen!"

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