Zwölf Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes erwägt die afghanische Regierung nach einem Bericht von Menschenrechtlern die Wiedereinführung von Steinigungen. Eine Arbeitsgruppe im Justizministerium habe die Bestrafung für "moralische Verbrechen" wie außerehelichen Geschlechtsverkehr vorgeschlagen, teilte Human Rights Watch (HRW) mit.
Präsident Hamid Karsai müsse den "absolut schockierenden" Vorstoß umgehend ablehnen. Sollte der Vorschlag zum Gesetz werden, müssten internationale Geldgeber ihre Unterstützung stoppen. Die Menschenrechtsorganisation mit Sitz in New York teilte mit, der Entwurf der entsprechenden Klausel für ein neues Strafgesetzbuch sehe die Todesstrafe durch Steinigung vor, wenn mindestens einer der Sexualpartner durch den Geschlechtsverkehr Ehebruch begehe. Wenn beide unverheiratet seien, solle die Strafe 100 Peitschenhiebe betragen. Die Strafen sollten - wie einst unter dem Taliban-Regime - öffentlich vollstreckt werden.
Afghanistan will das Strafgesetzbuch des Landes aus dem Jahr 1976 überarbeiten. Aus dem Justizministerium in Kabul hieß es am Montag, der umstrittene Vorschlag sei nicht offiziell eingebracht worden. "Bis jetzt haben wir nicht diskutiert, die Klauseln über Steinigung und Auspeitschung in das neue Strafgesetzbuch zu bringen."
Bei den Änderungen werde sichergestellt, dass sie internationale Vereinbarungen nicht verletzten, die Afghanistan unterzeichnet habe. Seit dem Sturz des radikalislamischen Taliban-Regimes Ende 2001 ist es in Afghanistan vereinzelt zu Steinigungen gekommen, die aber von der Karsai-Regierung nicht gebilligt waren.
In der nordafghanischen Provinz Baghlan wurde ein junges Pärchen wegen seiner außerehelichen Beziehung vom Vater des Mädchens getötet. Baghlans Polizeisprecher Ahmad Dschawid Bascharat sagte, ein außergerichtlicher Stammesrat habe beschlossen, dass der Junge und das Mädchen sterben müssten. Der Vater des Mädchens habe die beiden erschossen und sei geflohen. Das genaue Alter der Opfer sei nicht bekannt. Die Bundeswehr war im Juni aus Baghlan und im vergangenen Monat aus der Nachbarprovinz Kundus abgezogen.