SZ-Kolumne "Mitten in ...":Chardonnay im Plastikbecher

Lesezeit: 2 min

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Der SZ-Korrespondent in Washington besucht ein klassisches Konzert und überbrückt die Pause auf sehr US-amerikanische Art. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Washington D.C.

Immer wieder schön, so ein Drink an der Bar. Konzertpause im Kennedy Center, Washington, diesem herrlichen Bau am Potomac in Erinnerung an JFK. Also, ein schnelles Glas, bevor das Orchester und der Pianist aus Südkorea gleich weitermachen? Das läuft hier so: Man geht zu einem Automaten und tippt zum Beispiel auf das Weißwein-Bild. Gar nicht teuer, zwei Chardonnay kosten nur 35,20 Dollar! Man hält die Kreditkarte an das Gerät und wird selbstverständlich sofort aufgefordert, auch noch tip abzudrücken, Trinkgeld, gerne ab 20 Prozent aufwärts. Dann stellt man sich an und holt die Bestellung bei einem echten Menschen ab, die Getränke werden stilecht in Plastikbechern serviert. Dafür mit Deckel und Kennedy-Logo drauf, und in den Konzertsaal mitnehmen darf man den Plastikbecherweißwein auch. Cheers! Peter Burghardt

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Harbin

Bunt leuchtende Eispaläste, minus 20 Grad und viele, viele Menschen: Dafür steht das Eis- und Schneefest in Harbin im Nordosten Chinas. Schon seit Wochen wurden mir auf den Online-Plattformen die Bilder der Influencer vor dem Himmelstempel aus Eis oder den riesigen Schneemännern angezeigt. Also: Thermohose kaufen, Hotelzimmer ergattern und sich selbst ein Bild machen. Doch just an dem Wochenende begann es zu tauen. Das Festival endete ganz plötzlich wegen Einsturzgefahr. Als Alternativprogramm gab es nur noch das Füttern überfressener Tiger im örtlichen Tierpark nach drei Stunden Schlangestehen sowie Frustessen in einem der vielen russischen Restaurants. Größter Reinfall war aber der Rückweg: Der Flug hatte vier Stunden Verspätung. Wegen eines Kälteeinbruchs herrschte am Flughafen Schneechaos. Florian Müller

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... München

Das Böse zu besiegen, das war einem schon immer ein Anliegen. Jetzt böte sich die Gelegenheit, man radelt durch die Türkenstraße, als plötzlich zwei Kellnerinnen einem Mann hinterherlaufen: "Sie haben nicht bezahlt!", ruft eine. Doch der Zechpreller wehrt sich erfolgreich gegen alle Versuche, ihn am Weitergehen zu hindern. Die Kellnerin schreit: "Wir holen die Polizei!" Der Mann, er trägt Sonnenbrille, setzt seinen Weg fort. Nun schaltet sich der Radler ein: "Ich werde ihn verfolgen!", ruft er mutig, doch Unterstützung bleibt aus, auch die Kellnerinnen sind bald verschwunden. Irgendwann sind Radler und Zechpreller ganz allein. Nach 500 Metern sagt der Radler: "Dann lasse ich Sie halt laufen! Aber tun Sie mir einen Gefallen: Schämen Sie sich!" Er hört noch ein "Halt's Maul!" hinter sich, als er abbiegt. Ach, wäre das Böse nur leichter zu besiegen. Martin Zips

Weitere Folgen der Kolumne "Mitten in ..." finden Sie hier .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: