SZ-Kolumne "Mitten in ...":Wenn das Stellwerk Pause macht

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(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Ein SZ-Redakteur strandet mit dem ICE in Nordhessen, weil das Arbeitszeitgesetz kein Pardon kennt. Aber mit dem richtigen Schaffner lässt sich alles aushalten. Drei Zug-Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... Sontra

Auf der Fahrt von Göttingen nach Eisenach hält der ICE 789 in der 7500-Einwohner-Stadt Sontra. Ein unverhoffter Blick in die Zukunft eines Landes, dem die Fachkräfte ausgehen. Der Zug müsse hier leider eine Pause machen, erklärt der Schaffner übers Bordmikro. Der Grund: Personalmangel. Das für die Gegend zuständige Stellwerk sei heute mit nur einem Mitarbeiter besetzt, der müsse jetzt eine Pause machen. Der Bahnsteig in Sontra sei leider so niedrig, dass er aus Sicherheitsgründen nicht alle Türen öffnen könne, sagt der Schaffner. Aber Raucher dürften sich in Wagen 9 einfinden und dort aussteigen. Kurz darauf stehen einige Passagiere auf dem Bahnsteig, ziehen an ihren Zigaretten und sind sich einig: Es sei wichtig, dass der Mann im Stellwerk seine Pausen einhält. Auch der Schaffner nimmt ein paar tiefe Züge. Rainer Stadler

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Passau

Im ICE von Wien nach Berlin. An der deutschen Grenze in Passau steigen mehrere uniformierte Polizeibeamte zu und gehen durch die Waggons. Während man sie dabei beobachtet, wie sie sich Ausweise zeigen lassen, wissen wollen, wohin die Reise geht, und sich einen abgelaufenen Kinderreisepass ganz besonders genau ansehen, stellt man sich ein paar Fragen. Seit wann werden im Schengen-Raum eigentlich wieder Grenzkontrollen durchgeführt? Was wurde aus dem freien Personenverkehr? Hat das alles mit der aktuellen Weltlage zu tun oder ist das wieder so ein Spezialprojekt von Markus Söder? Der alte Herr mit der Thermoskanne, der gegenüber an einem Vierertisch sitzt, scheint sich diese Fragen offensichtlich auch gestellt zu haben. Und er kennt die Antwort. "HASCH!!!", ruft er lautstark in den Waggon. "Die suchen HASCH!" Verena Mayer

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Madrid

Auf die Deutsche Bahn zu schimpfen ist öde. Sie demonstrativ für Selbstverständliches zu loben aber irgendwie auch. Eine letzte Nische: die maßlose Überhöhung der Zugunternehmen anderer Länder. Heute also: Spaniens Renfe. Der Zug Richtung Costa del Sol kommt in Madrid schon mit Verspätung an, doch die Leute nehmen es stoisch hin. Kein zynisches Stöhnen, keine Suche nach zustimmendem Augenkontakt zum Sitznachbarn. Stattdessen wird im Telefonabteil einfach weiter vor sich hingeplappert. Die Klimaanlage kühlt offenbar verlässlich die Gemüter. Das Außerordentliche aber geschieht im Ruheabteil. Es telefoniert hier wirklich niemand. Als es ein Herr dann doch mal tut, wirft dieser dem mahnenden Schaffner keine Verwünschungen an den Kopf. Er geht nur leise nach draußen. Der Zug kommt übrigens pünktlich an. Marcel Laskus

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