Millionenfund im Kloster Neresheim:Im Weinberg des Herrn

Lesezeit: 5 min

Ein Mönch wandelt durch die Flure des Klosters Neresheim. Ist so ein Kloster nicht ein guter Ort, um etwas zu verstecken? (Foto: Wilhelm Mierendorf/imago)

Ein Abt findet im Schlafzimmer seines verstorbenen Vorgängers Belege über ein Millionenvermögen. Niemand weiß, woher es stammt. Das nährt einen unchristlichen Verdacht: Half das Kloster bei der Geldwäsche eines dubiosen Anwalts?

Von Josef Kelnberger und Bernd Dörries, Stuttgart

Es muss ein bewegender Abschied gewesen sein damals, im April 2013. Ein schlichter Sarg, darauf Mitra und Hirtenstab. 800 Trauergäste in der mit weißen Chrysanthemen geschmückten Abteikirche des schwäbischen Benediktinerklosters Neresheim. Ein Knabenchor, der das Requiem verschönt. Ein Landrat, den Tränen nah, der sich "von meinem lieben Freund und unser aller Vater Abt" verabschiedet. Schließlich der Abtpräses, Dr. Albert Schmidt, der für seine Predigt sogar im Internet recherchiert hat und der Trauergemeinde berichtet: Er habe beim Googeln 80 800 Einträge gefunden zum Namen des Verstorbenen, und doch, so sagte er, "wissen wir oft wenig von dem Menschen, mit dem wir leben". Eine wahrhaft prophetische Bemerkung.

Was war das für ein Mensch, der Abt Norbert Stoffels, seit 1977 Klostervorsteher, Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, der am 24. April 2013 im Alter von 77 Jahren starb? Ein verdienter Arbeiter im Weinberg des Herrn? Oder ein Arbeiter im sogenannten Sondervermögen Weinberg - einem über Jahre hinweg gepflegten System der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche?

Der Abt eines Benediktinerklosters kann schalten und walten, wie er will

Wie der Spiegel am Montag berichtete, fand sich im Nachlass des toten Abts unverhofft ein Millionenvermögen. Es handelt sich, wie man nun weiß, nicht nur um ein Konto bei der Deutschen Bank in Krefeld, auf dem ein Vermögen im Wert von drei Millionen Euro lagert. Das Konto hatte der Abt im Jahr 2010 gemeinsam mit dem Krefelder Anwalt Walter Marcelli angelegt, und zwar im Namen des "Benediktinerkloster Neresheim e.V." Der Anwalt verfügte über die uneingeschränkte Vollmacht über das Konto. Zu dem Finanzkonstrukt, das Abt und Anwalt gebastelt hatten, gehört außerdem ein Verrechnungskonto, auf dem Zinsen und Dividenden ausgeschüttet wurden. Und dann gibt es in Aalen noch ein weiteres Konto, darauf eine Million Euro. Woher das Vermögen stammt und wem es gehört, darüber ist ein heftiger Gerichtsstreit entbrannt zwischen dem Kloster und dem reichlich zwielichtigen Anwalt. Die Staatsanwaltschaft Krefeld jedenfalls ermittelt wegen des Verdachts der Geldwäsche. Die Akten lägen beim Landeskriminalamt Düsseldorf, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Wie auch immer die Affäre enden wird: Sie wird dem Ruf der katholischen Kirche weiter schaden. Wie die Kirche mit dem Geld der Gläubigen um sich wirft, dafür steht in den Augen vieler Kritiker der Fall des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst. Um aber Geld zu verstecken, gibt es, zynisch gesprochen, kaum einen besseren Ort als ein Kloster, nicht wahr? Während Orden wie die Jesuiten und die Franziskaner über eine Ordenszentrale und entsprechend ein Kontrollsystem verfügen, kann der Abt eines Benediktinerklosters im Prinzip schalten und walten, wie er will.

Die Kongregation Beuron, zu der das Kloster Neresheim im Ostalbkreis mit seinen zehn Konventsmitgliedern gehört, schickte immerhin in unregelmäßigen Abständen Finanzprüfer dorthin. Aber die beiden Konten von Abt und Anwalt seien in keiner Bilanz aufgetaucht, darauf berufen sie sich nun in Neresheim. Niemand habe etwas gewusst von den Geschäften des Abtes mit dem Anwalt, den er angeblich schon seit Schulzeiten kannte. Norbert Stoffels war in Krefeld aufgewachsen.

Weil der Fall so heikel ist, hat Pater Albert, der neue Abt, den Münchner Kommunikationsprofi Markus Wieser als Sprecher verpflichtet. Seiner Version der Geschichte zufolge hat Pater Albert im Mai 2013, nach einmonatiger Pietät, begonnen, den Nachlass des toten Abts zu ordnen und dabei in einem Sekretär im Schlafzimmer die Bankunterlagen gefunden. Erst nach einem ersten, wohl eher unerfreulichen Gespräch mit dem Konto-Bevollmächtigten Marcelli, das im September stattfand, habe der Abt einen eigenen Anwalt hinzugezogen und die Vollmacht von Marcelli sperren lassen. Die Vollmacht habe er erst löschen lassen, als Marcelli versucht habe, Geld von dem Konto abzuheben. Der neue Abt hatte also kein Interesse, das Geld für das Kloster zu sichern.

Mehrmals hat Walter Marcelli mittlerweile versucht, vor dem Landgericht Ellwangen Geld loszueisen, im Namen zweier angeblicher Klientinnen und zuletzt auch im eigenen Namen. Jedes Mal erkannte das Gericht, seine Ansprüche seien nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Marcelli nahm vor Gericht Bezug auf eine - wohl durchaus authentische - Leih-Vereinbarung zwischen ihm und dem Abt, die aus dem Jahr 2004 stammt. Zweck der Vereinbarung sei es gewesen, ein mittlerweile in Liquidation befindliches "Sondervermögen namens Weinberg" zu betreuen, dessen alleiniger Verwalter und rechtlicher Eigentümer er, Marcelli, gewesen sei. Der Verdacht liegt nahe: Das Sondervermögen Weinberg steht für ein groß angelegtes System der Geldwäsche - und der Abt hat sein Kloster samt dem gemeinnützigen Förderverein als Wäscherei zur Verfügung gestellt.

In welch dubiose Gesellschaft der allseits geachtete Abt sich und damit auch sein Kloster begeben hat, lässt sich anhand der Prozesse in Ellwangen erkennen. In einem der Urteile kommt das Gericht zum Ergebnis, es gebe "aufgrund des Gesamteindrucks des Zeugen" ganz erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit Marcellis. Von der SZ befragt, erklärte Leni H., eine seiner angeblichen Klägerinnen in Ellwangen, der Anwalt sei ihr von ihrer Frauenärztin empfohlen worden. Der Herr sei dann zu ihr gekommen und habe gefragt, was die Gesundheit mache. Dann sei er schnell zum Finanziellen gekommen. "Ich glaube, Herr Marcelli hat auch Zugang zu meinem Konto", sagte sie. Sicher sei sie aber nicht, schließlich sei sie schon 85 Jahre alt. "Ich bin ganz allein. Ich habe keine Geschwister. Mein Mann ist gestorben. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann." Und sie habe doch nichts als ihre bescheidene Rente. Von dem Prozess in Ellwangen wisse sie nichts, sagt sie. "Muss ich mir Sorgen machen?"

Der "Weinberg" habe zwar keine Reklame gemacht, sei aber auch keine Geheimorganisation

Anwalt Marcelli erklärte am Montag der SZ, er wisse nichts von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Und zu fürchten habe er ohnehin nichts: "Schon oft gab es Versuche der Behörden, etwas zu finden, nie gab es etwas zu beanstanden." Der "Weinberg" habe zwar keine Reklame gemacht, sei aber auch keine Geheimorganisation. Zu seinen Klienten will er nichts sagen. Die Justiz wird nun wohl aufhellen, wer dahintersteckt.

Das Kloster werde, wie Abt Albert über seinen Sprecher Markus Wieser erklären lässt, nach Kräften versuchen, zur Aufklärung der Affäre beizutragen. Zu klären wird vor allem sein: Wie sollte Abt Norbert Stoffels, wie sollte das Kloster vom Finanzkonstrukt profitieren? Bislang gebe es keine Indizien, dass der Alt-Abt als "Cellerar" des Klosters, also als kaufmännischer Geschäftsführer, Geld aus den geheimen Konten in irgendeiner Form in den Betrieb des Klosters umgeleitet habe, sagt Wieser.

Für viele Millionen Euro wurde in den Siebzigerjahren die prachtvolle spätbarocke Klosterkirche renoviert, Millionen kostete auch die Sanierung des Konventgebäudes, die erst vor Kurzem abgeschlossen wurde. Die Hauptlast trugen jedes Mal das Land und das Bistum. Das Kloster, seit der Sanierung von Touristenmassen besucht, erwirtschafte pro Jahr rund eine Million Euro aus dem Klostershop, einem Hospiz und aus der Lehrtätigkeit einiger Mönche. Das Geld gehe für den laufenden Betrieb wieder drauf, sagt Markus Wieser. Für bauliche Maßnahmen müssten jedes Mal "dritte Töpfe" in Anspruch genommen werden. Und deshalb wird sich das Kloster, sollte niemand berechtigte Ansprüche stellen können, nicht wehren, sollte das geheime Millionenkonto von Abt Norbert Stoffels am Ende tatsächlich in seinen Besitz fallen. Aber darauf legt Markus Wieser Wert, im Namen seines Abts: "In Kloster Neresheim gibt es keine goldenen Badewannen. Niemand giert nach diesem Geld."

© SZ vom 04.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: