Mexiko:Soldaten machen Jagd auf Drogenschmuggler

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Panzer und Kampfhubschrauber: Der mexikanische Drogenkrieg geht in eine neue Runde - und die Regierung ruft zum Großeinsatz.

Peter Burghardt, Buenos Aires

Und wieder ruft der Staat zum Großeinsatz, der mexikanische Drogenkrieg geht in eine neue Runde. Weitere 5500 Soldaten und Polizisten schickt die Regierung von Präsident Felipe Calderón allein in den Bundesstaat Michoacán, dort tobt das Gefecht um Routen, Märkte und Milliarden gerade besonders.

Drogenkrieg in Mexiko: 5500 weitere Soldaten und Polizisten sind nun in Michoacán im Einsatz. (Foto: Foto: Reuters)

7000 Beamte waren schon da, aber die wurden der Gewalt zuletzt nicht annähernd Herr. Sie werden jetzt verstärkt von Truppen mit Panzerwagen und Kampfhubschraubern vom Typ Blackhawk, als habe sich eine der größten Industrienationen gegen ein fremdes Heer zu wehren. Der aktuelle Hauptgegner ist eine Bande mit Namen La Familia. Die Familie.

Zwölf verstümmelte und gefesselte Polizisten

Begonnen hatte die gegenseitige Offensive vor einer Woche mit der Verhaftung von Arnoldo Rueda Miranda alias La Minsa, der zu den Anführern der finsteren Vereinigung gehören soll. Danach erschossen Söldner der Rauschgiftgang binnen vier Tagen 16 Polizisten und griffen mehrere Polizeistationen an, solche Attacken der Organisierten Kriminalität hatte man selbst in Mexiko noch nicht erlebt.

Die Behörden entdeckten zwölf verstümmelte und gefesselte Polizisten an der Autobahn zwischen der Kolonialstadt Morelia und dem wichtigen Pazifikhafen Lázaro Cárdenas. Neben den Toten lagen Zettel mit Botschaften wie dieser: "Nehmt den nächsten fest, wir warten auf euch." Unter schweren Beschuss geriet auch ein Hotel in Lázaro Cárdenas, das den Sicherheitskräften als Kaserne dient. Andere Einsatzkräfte flüchteten mit kugelsicheren Westen, Helmen und Schnellfeuergewehr.

Es ist eine weitere und besonders grausige Folge einer Schlacht, die seit Anfang 2008 mehr als 9000 Menschen das Leben gekostet hat - derzeit sterben durchschnittlich 18 am Tag. Als gefährlichste Kartelle galten zuvor jene von Sinaloa, Ciudad Juárez und dem Golf von Mexiko mit ihrer Privatarmee Los Zetas, sie morden vor allem im Norden Richtung US-Grenze.

Dieses Gemetzel und die Reaktion zeigen jetzt die Macht von La Familia im zentralen Michoacán mit seinen beschaulichen Touristenorten Morelia und Pázcuaro. Die geheimnisvolle Familie dominiert in dieser strategisch bedeutenden Gegend nicht nur den gewaltigen Handel mit Kokain aus Südamerika, chemischen Drogen aus Fernost sowie in der Umgebung angebautem Mohn und Marihuana. Sie fordert offen den Staat heraus. "Das Kartell, das Regierung sein will", schrieb die Zeitung El Universal schon zu Jahresbeginn.

Es heißt, La Familia kontrolliere 90 Prozent der Gemeinden der Provinz, hochrangige Politiker, Justiz, Unternehmer. Sie leite eine Art Parallelstaat mit religiösen Lehren, Kliniken und "sozialen Säuberungen" der Gesellschaft. Ihre Chefs nennen sich El Chango y El Chayo. Und am Mittwoch trat in einer zuvor unbekannten Fernsehsendung plötzlich ein Familia-Sprecher namens Servando Gómez auf, genannt La Tuta: "Wir wollen, dass der Herr Präsident der Republik, der Señor Felipe Calderón, weiß, dass wir nicht seine Feinde sind, sondern ihn schätzen. Wir wollen Ruhe und Frieden, einen nationalen Pakt."

Gegner der Familia seien allein Bundespolizei und Staatsanwaltschaft, so La Tuta, der Polizisten und sogar den nationalen Sicherheitschef mit rivalisierenden Kartellen in Zusammenhang bringt. Tatsächlich sind viele Strukturen von den verschiedenen Drogengangs durchdrungen.

"Wir werden der Erpressung niemals nachgeben"

Das Kabinett Calderón schlug das Angebot empört in den Wind und entsendet trotz Protesten der Regionalregierung von Michoacán mehr Militär. Insgesamt zogen landesweit mehr als 40000 Bundespolizisten und Soldaten in den Kampf. "Die mexikanische Regierung wird mit Verbrechern weder sprechen noch paktieren", sagte Innenminister Fernando Gómez Mont. "Wir werden der Erpressung niemals nachgeben."

Staatschef Calderón erklärte nach einer Sondersetzung seiner Sicherheitsberater: "Die Kriminellen können die Regierung nicht einschüchtern." Doch der Konservative gerät unter Druck. Zuletzt verlor seine Partei PAN die Parlamentswahlen. Und Experten zweifeln an seiner militärischen Strategie. José Miguel Vivanco von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch findet, die zunehmende Abhängigkeit von der Armee zeige seine Schwäche.

Calderón stammt selbst aus Morelia in Michaocán. Am 15.September 2008 explodierten dort mitten im alten Zentrum Granaten und töteten mehrere Passanten - am Jahrestag von Mexikos Unabhängigkeit.

© SZ vom 20.7.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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