Massaker an Militärstützpunkt Fort Hood:Prozess gegen früheren Armeepsychiater beginnt

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Offiziere tragen den Sarg einer beim Attentat von Fort Hood getöteten Soldatin auf dem Friedhof von Arlington, Virginia. (Foto: AFP)

Zweimal rief er "Gott ist groß", dann eröffnete Nidal Hasan das Feuer auf seine Kameraden im texanischen Militärstützpunkt Fort Hood. 13 Menschen starben bei dem Attentat im November 2009. An diesem Dienstag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Armeepsychiater. Der Angeklagte will sich selbst verteidigen.

Von Felicitas Kock

Das Kino-Attentat in Aurora, der Amoklauf in Newtown, der Anschlag auf den Boston-Marathon: Es ist viel passiert, seitdem Nidal Hasan im November 2009 seine Waffe erhoben und auf seine Kameraden gefeuert haben soll. Dennoch wird der an diesem Dienstag vor einem Militärgericht beginnende Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen von Fort Hood noch für Aufregung sorgen.

Es war der schlimmste Vorfall an einem US-Militärstützpunkt, den es je gegeben hat. Die Motive des mutmaßlichen Täters sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Und der Angeklagte will sich selbst verteidigen - und daher womöglich auch die Menschen ins Kreuzverhör nehmen, die er mit seinen Kugeln einst verletzt haben soll.

Nidal Hasan wird beschuldigt, im texanischen Fort Hood 13 Menschen erschossen und 32 weitere verletzt zu haben. Zeugenaussagen zufolge hielt er sich am 5. November zur Mittagszeit vor dem Eingang des Soldier Readiness Processing Center auf, in dem die Soldaten vor Auslandseinsätzen medizinisch versorgt werden. Dann habe er plötzlich zweimal "Allahu akbar" - "Gott ist groß" - gerufen und begonnen, auf seine Kameraden zu feuern. Die Kugeln mehrerer herbeigeeilter Polizisten konnten ihn schließlich stoppen, Hasan ging verletzt zu Boden. Einige seiner Kameraden waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

Das Motiv bleibt unklar

Warum der in Amerika geborene Major mit palästinensischen Wurzeln an jenem Herbsttag das Feuer eröffnete, konnte bislang nicht vollständig geklärt werden. Die Ermittler gehen davon aus, dass seine Hinwendung zum radikalen Islam eine wichtige Rolle spielte. Nach dem Attentat war herausgekommen, dass Hasan in Kontakt mit dem radikalislamischen Geistlichen Anwar al-Awlaki stand. Doch die Geheimdienste hatten den Mailverkehr zwischen den beiden Männern nicht als gefährlich eingestuft. Die Inhalte seien nicht "hetzerisch" gewesen, hieß es.

Andere Berichte zeichnen von Hasan das Bild eines Außenseiters, der bereits während seines Medizinstudiums wegen mentaler Probleme in Behandlung war. Später betreute er als Armeepsychiater Soldaten, die nach ihren Auslandseinsätzen im Kriegsgebiet mit posttraumatischen Störungen zu kämpfen hatten. Im Dezember 2009 sollte er selbst in den Irak geschickt werden. Eine Entscheidung, über die er nach Angaben eines Cousins "entsetzt" war. Er habe daraufhin so verzweifelt wie erfolglos versucht, die Armee zu verlassen, um dem Einsatz zu entgehen.

Schüsse "zur Verteidigung der Taliban"

Der 42-Jährige selbst gab bei einer Anhörung Anfang Juni an, die Tat "zur Verteidigung anderer" begangen zu haben. Er habe wichtige Anführer der Taliban schützen wollen, die durch die Entsendung amerikanischer Soldaten nach Afghanistan bedroht worden seien, schreibt die New York Times. Die zuständige Richterin, Tara Osborn, verbot ihm diese Verteidigungsstrategie jedoch. Sie sei nicht zulässig, da die Menschen, die Hasan angegriffen habe, zu dem Zeitpunkt seiner Tat keine unmittelbare Bedrohung für die Taliban dargestellt hätten - ein Fakt, der für die Berufung auf die "Verteidigung anderer" gegeben sein müsse.

Die Expertenmeinungen über die Entscheidung Osbornes gehen auseinander. Während viele das Verbot für richtig halten, befürchten andere, es könne Hasan später erleichtern, in Berufung zu gehen - und den Prozess damit noch weiter in die Länge zu ziehen.

Bevor sie ihm seine Verteidigungsstrategie untersagte, hatte Osborn dem Angeklagten erlaubt, sich in dem Prozess selbst zu verteidigen. Dem 42-Jährigen waren mehrere Militär-Anwälte zur Seite gestellt worden, er hatte jedoch darauf bestanden, diese zu entlassen und stattdessen für sich selbst zu sprechen. Ein Arzt bestätigte ihm die physische Fähigkeit, den Prozess, in dem nach vier Wochen ein Urteil fallen soll, bestreiten zu können. Der Angeklagte ist von der Taille abwärts gelähmt, seit er bei dem Attentat von einer Polizeikugel getroffen wurde.

Wenn er sich selbst verteidigt, wird sich Nidal Hasan Zeugen und Opfern des Attentats direkt gegenübersehen - und darf sie gegebenenfalls auch verhören. Shawn Manning wird einer von ihnen sein. Er wurde bei dem Attentat schwer verwundet und trägt noch immer zwei Kugeln in seinem Körper. Vor der Konfontation im Gerichtssaal habe er Angst, nicht aber vor Hasan selbst, sagte Manning der Huffington Post: "Er ist ein behinderter Mann in einem Rollstuhl, aber es ist ekelerregend, dass er noch lebt und atmet."

Wie es mit Nadil Hasans Leben weitergehen wird, das soll nun die Hauptverhandlung des Prozesses entscheiden. Der Angeklagte hat die Tat gestanden, doch Gericht und Ankläger haben das Schuldeingeständnis abgelehnt. Hätten sie zugestimmt, könnten sie ihn jetzt aus rechtlichen Gründen nicht mehr zum Tode verurteilen. Sollte das Gericht die Todesstrafe über Hasan verhängen, wäre er der erste zum Tode verurteilte US-Soldat im aktiven Dienst seit 1961. Das Verfahren dürfte sich dann nach Expertenmeinung noch über mehrere Jahre hinziehen und durch sämtliche Instanzen gehen.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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