Luftfahrt:Es ist ein Kreiher!

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1918 vom Grafiker Otto Firle ersonnen und danach nur leicht verändert: das Kranich-Logo der Lufthansa. (Foto: Imago/xim.gs)

Seit mehr als hundert Jahren ist das Logo der Lufthansa ein fliegender Kranich. Doch Moment mal: Ist es wirklich einer?

Von Tanja Rest

Der Anruf kam im 100. Jubeljahr des Kranichs, 2018 also. Die Werbeagentur in Diensten der Lufthansa wollte von Klaus Nigge wissen, ob er sich vorstellen könne, Kraniche zu fotografieren für die internationalen Lounges. Nigge, 66, ist Tierfotograf, er hat schon Braunbären porträtiert auf Kamtschatka, Saiga-Antilopen in Kasachstan, Wisente in Polen. Ganz besonders aber gehören sein Herz und seine Kamera den Vögeln, und dass er bereits zwei Bücher über Kraniche publiziert hatte, war für die Marketingleute eine frohe Überraschung. Man traf sich bei Lufthansa in Frankfurt und besprach das weitere Vorgehen. Irgendwann deutete Nigge auf das Kranich-Logo und sagte augenzwinkernd: "Sie wissen aber schon, dass das kein Kranich ist?" Die Werber, so erzählt er es fünf Jahre später am Telefon, hätten ihn entgeistert angeschaut.

Erfunden hat das weltberühmte Logo naturgemäß kein Vogelkundler, sondern der Grafiker Otto Firle. Als Werbeleiter des Lufthansa-Vorläufers Deutsche Luft-Reederei sollte er 1918 ein Firmenzeichen entwerfen, das die Fliegerei mit der Technik verband. Firle selbst sprach später von einem "Phantasievogel", die neu gegründete Lufthansa nannte ihn 1928 einen "fliegenden Kranich", dabei ist es bis heute geblieben. Das Logo erlebte hier und da ein Re-Design, von 1955 an prangte der Kranich erstmals in Blau auf einer gelben Parabel, die der Ulmer Grafiker Otl Aicher Anfang der Sechziger durch einen Kreis ersetzte. Der Vogel selbst hat sich dabei kaum verändert, er war und blieb der Lufthansa-Kranich, ein Glücksbote, Symbol für Ausdauer und Präzision. Mit dem kleinen Schönheitsfehler natürlich, dass er gar kein Kranich ist.

"Die Schmuckfeder am Kopf", sagt Klaus Nigge. "Haben Sie schon mal einen Kranich mit Schmuckfeder gesehen?" Und wirklich, die Feder am Hinterkopf, die dem Logo-Vogel seine Schnittigkeit verleiht, ist in der Natur nicht vorhanden. "Also für mich sieht das eher wie ein Graureiher aus", sagt Nigge. Aber ganz Reiher sei der Vogel eben auch wieder nicht, da Reiher den Hals im Flug s-förmig abknicken und den Kopf auf den Körper legen, während Kraniche ihn pfeilgerade ausstrecken.

Anruf bei Lufthansa, der heutige Corporate Designer Ronald Wild lacht, als er die Geschichte hört. Ihm selbst ist bekannt, dass es beim Lufthansa-Kranich nicht ganz mit rechten Dingen zugeht, also ornithologisch betrachtet. Er glaubt allerdings nicht, dass dieses Wissen im Konzern sehr weit verbreitet ist, geschweige denn bei den Menschen, die man befördert. Wild sagt: "Im modernen Corporate Design sind Logos oft so stilisiert, dass die Vorlage beinahe in Vergessenheit gerät." Das Kranich-Logo habe sich historisch ergeben, und die Schmuckfeder sei formalgestalterisch ein schönes Element, der Vogel wirke dadurch eleganter. Man dürfe da bitte nichts verwissenschaftlichen. Wild sagt: "Wir sind nach wie vor glücklich mit dem Kranich, als Marke fühlen wir uns bei ihm sehr wohl."

Halten wir fest, dass Lufthansa vorerst nicht plant, dem Kranich die Schmuckfeder auszurupfen. Und dass der Vogel, mit dem gerade Millionen Menschen in den Urlaub fliegen, in Wahrheit ein Kreiher ist.

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