Bonn:Eine Familie namens Beethoven

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Wo ist Beethoven? Gruppenbild inmitten einer Installation des Künstlers Ottmar Hörl auf dem Münsterplatz in Bonn. (Foto: Frommann/O.Hörl/VG-Bildkunst, Bonn 2019)

Verwandt und doch auch ziemlich fremd: In Bonn treffen sich fast alle noch lebenden Nachfahren des Komponisten Ludwig van Beethoven. Ein Genealoge hat sie ausfindig gemacht.

Von Alexander Menden, Bonn

Ludwig van Beethoven ist ein 54-jähriger Instandhaltungsingenieur aus Mechelen. Er trägt Schnurrbart. In Bonn ist er an diesem Samstag zum ersten Mal, aber Wien hat er schon mal mit seiner Frau Lieve Lettanie besucht. Fragen Menschen, denen er seinen Namen nennt, oft nach, ob er einen Witz mache? "Sehr oft", sagt Ludwig van Beethoven. Nervt das nicht? "Man gewöhnt sich irgendwann daran." Immerhin hätten sie bei ihrer Hochzeit eine Komposition seines Namensvetters als musikalische Untermalung gehabt, bemerkt Lieve: die "Ode an die Freude".

Dass das Ehepaar Beethoven nun mit 46 Landsleuten aus Belgien gleichen Namens und deren Verwandten durch die sonnige Innenstadt von Bonn flaniert, verdanken sie einer Initiative des Vereins "Bürger für Beethoven". Deren höchst umtriebiger Vorsitzender Stephan Eisel führt die Gruppe zwischen Marktständen, Klima-Demonstranten und Fußballfans, die zum Mittelrhein-Pokalfinale angereist sind, zu den Orten, die für den berühmtesten Sohn der Stadt von Bedeutung waren. Vorher hat Eisel sie im Musiksaal des Beethoven-Hauses in der Bonngasse mit den Worten begrüßt: "Ich habe noch nie so vielen Beethovens die Hand geschüttelt. Die Hand werde ich mir nie mehr waschen!"

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Die Idee zu dem Familientreffen entstand in der Vorbereitung des Beethoven-Jahres 2020, in dem der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert wird. Einen richtigen Konzertsaal wird die Stadt Bonn zu diesem Anlass nicht haben, denn die chaotisch verlaufende Renovierung der Beethovenhalle wird bis zum kommenden Jahr keinesfalls vollendet sein. Aber wenigstens klappte in Zusammenarbeit mit der Regierung von Flandern die Anbahnung der Beethoven-Familienzusammenführung samt Mittagessen, Kaffee und Rathausempfang. Koen Haverbeke, flandrischer Generaldelegierter an der Belgischen Botschaft in Berlin, ist als Dolmetscher dabei.

Aus Flandern, genauer aus der Gegend von Mechelen, stammt die Familie Beethoven ja ursprünglich. Der Kölner Erzbischof Clemens August von Bayern hatte 1733 den Sänger Ludwig van Beethoven senior an seinen kurfürstlichen Hof in Bonn geholt, wohin er samt seinen Eltern umsiedelte. Sohn Johann van Beethoven war ebenfalls Hofmusiker, und Enkel Ludwig junior lebte immerhin länger in Bonn als Mozart in Salzburg. Im Jahre 1792 zog er zur weiteren Ausbildung bei Joseph Haydn nach Wien; zwei Jahre später holte er seine Brüder Nikolaus und Kaspar nach. Ludwig selbst hatte bekanntlich keine Nachkommen, seine Brüder schon. Mithilfe des Genealogen Walter Sluydts wurden alle erreichbaren Beethovens angeschrieben und nach Bonn eingeladen. Ein paar sind im eigenen Wagen gekommen, wie das Ehepaar Lily van Beethoven und ihr Mann Marc Gommers aus dem nordbelgischen Booischoot. Lily, Angestellte einer Pharmafirma, sagt, sie sei schon etwas überrascht von der Einladung gewesen. Aber sie ist begeistert von der Idee; zudem liege der Termin praktisch, weil man die Tour nach Bonn mit einem Campingurlaub in Frankreich verbinden könne.

Andere nahmen den eigens gecharterten Bus. Die 25-jährige Lisa van Beethoven, sie ist mit ihrem Großvater Adrianus van Beethoven aus Antwerpen gekommen, glaubte erst an einen Scherz ihres Vaters, als dieser die Einladung weiterleitete. In Bonn war sie zuletzt mit einem Schulausflug - da war das Beethovenhaus auch noch geöffnet, während es diesmal zu Renovierungszwecken geschlossen ist. Die Gewerkschaftsangestellte Christel van Beethoven aus Heist ob Berg ist mit einer ganzen Verwandtengruppe gekommen, während Melanie von Beethoven, die in Waremme bei Aldi arbeitet, ihre weitere Verwandtschaft zum ersten Mal trifft.

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Bei einer nichtrepräsentativen Umfrage stellen sich "Für Elise" und die Neunte Symphonie als klare Beethoven-Lieblingsstücke der Beethovens heraus. Stefan von Beethoven, Direktor der Brüsseler Sozialversicherungsbehörde, setzt sich allerdings als einziger an den Flügel im Musiksaal des Beethovenhauses und spielt ein paar Akkorde. Er hat sich sehr eingehend mit der Biografie seines Verwandten beschäftigt, dessen politische Ansichten er interessant und beeindruckend findet. Der Nachname, der nach Aussage vieler Beethovens regelmäßig zu ungläubigen Nachfragen Anlass gibt, hat zumindest Stefan von Beethoven einmal geholfen: "Ich habe Politikwissenschaften studiert", erzählt Stefan van Beethoven. "Bei meiner Abschlussprüfung waren die Professoren so fasziniert von meiner Verwandtschaft, dass sie fast nur über Ludwig gesprochen haben. Ganz am Ende sagte einer: Jetzt müssen wir Ihnen leider aber auch noch eine Prüfungsfrage stellen."

Übrigens stellen laut Stefan van Beethoven nicht alle eine Verbindung zum Komponisten her. "Manche sagen auch: Beethoven - das ist doch der süße Bernhardiner in diesem Film!"

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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