Leichenfunde auf Long Island:Furcht im Sommerparadies

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Dort, wo reiche New Yorker gerne die Sonne genießen, sind derzeit Busladungen von Polizisten unterwegs. Seit auf Long Island acht Frauenleichen gefunden wurden, wächst die Angst vor einem Serienmörder.

Jörg Häntzschel, New York

Shannan Gilbert, eine Prostitutierte aus Jersey City, wurde zum letzten Mal am 1. Mai gesehen. Es war in Oak Beach, einer gehobenen Rentnersiedlung auf Long Island, der weit in den Atlantik ragenden Insel östlich von New York. Um fünf Uhr morgens hämmerte sie an die Haustür von Gus Coletti. Er öffnete und fragte: "Was ist los?" "Helfen Sie mir!", antwortete sie. Doch als Coletti die Polizei rief, rannte Gilbert davon. "Sie wollen mich umbringen", soll sie noch gerufen haben.

Polizisten durchsuchen das Unterholz auf Long Island. Wer die acht Frauen getötet hat, ist noch völlig offen. (Foto: AP)

Bis heute hat die Polizei keine Spur der 24-Jährigen. Dafür fand sie in der Umgebung acht andere Frauen, deren Leichen teils schon seit Jahren im Gebüsch lagen. Die ersten Funde machten die Suchtrupps im Dezember: vier stark verweste Körper, die in Stoff eingewickelt und nur wenige Meter vom Ocean Parkway in die Büsche geworfen worden. Die Fundorte lagen jeweils nur rund 150 Meter auseinander. Bei allen vier Frauen handelte es sich um Prostitutierte, die ihre Dienste über die Internet-Börse Craigslist angeboten hatten, bevor sie zwischen 2007 und 2010 verschwunden waren. Einige von ihnen hatten in Billighotels der Umgebung gewohnt.

Am Dienstag vergangener Woche dann fand die Polizei eine fünfte Leiche, und letzten Montag drei weitere. Keine der Frauen, so die Polizei, ist Shannan Gilbert, deren Überreste wegen eines Metallimplantats, das sie im Oberkörper trug, leicht zu identifizieren wären.

Befürchtet wird, dass hier ein Serienmörder am Werk war. Deshalb hat die Polizei die Suche nun ausgeweitet. Auf einem über zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Strand und der Schnellstraße Ocean Parkway sah man in den letzten Tagen, wie Busladungen junger Polizisten, den Blick auf den Boden gerichtet, über die noch winterlichen Dünen am Atlantik wanderten. Wie sie sich mit dicken Handschuhen, Gummistiefeln und Motorsägen durchs Unterholz kämpften und von Feuerwehrleitern aus in die Vegetation spähten. Taucher suchten den Grund eines Kanals ab. Und ein Hubschrauber flog dicht über sumpfigem Marschland.

Um wen es sich bei den nun gefundenen Toten handelt und ob sie Opfer desselben Mörders sind, das ist noch ungewiss. Drei der vier zuletzt entdeckten Leichen wurden weit entfernt von der ersten Gruppe gefunden, was auch der Grund dafür ist, dass die Suche nun einen so ausgedehnten Küstenabschnitt umfasst. Die Bewohner in Oak Beach und Gilgo Beach reagieren zunehmend nervös. Die Hamptons, wo New Yorks Reiche ihre grotesk teuren Sommerhäuser haben, liegen zwar noch zwei Stunden weiter östlich. Doch auch in dieser bescheideneren Gegend von Long Island lebte man sehr idyllisch. Heute traut sich Gus Colettis Frau Laura nicht mehr, ihre langen Spaziergänge zu unternehmen. Und seit keine Interessenten mehr kommen, um sich Häuser anzusehen, sind die Immobilienpreise eingebrochen.

Immerhin aber seien die Morde alle vor längerem geschehen, sagte Dominick Varrone, Chef der örtlichen Kriminalpolizei, der New York Times: "Wir haben keine Opfer aus jüngerer Zeit gefunden. Das tröstet ein wenig. Und mit jeder neuen Leiche, die wir finden, hoffen wir auf Hinweise, Puzzleteile, die uns helfen, diesen Fall zu lösen. "

© SZ vom 07.04.2011/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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