Reform:Mehr Waffenkontrollen nach Amoktat: Opposition unzufrieden

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Ein Einsatzfahrzeug der Polizei. (Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild)

Gut drei Monate nach der Amoktat bei den Zeugen Jehovas hatte Hamburgs Innensenator Grote eine Reform der Sicherheitsbehörden versprochen. Weitere gut drei Monate später verkündet die Behörde teilweise Vollzug - aus CDU-Sicht ist es bei Ankündigungen geblieben.

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Hamburg (dpa/lno) - Die Hamburger Waffenbehörde hat als Konsequenz aus der Amoktat bei den Zeugen Jehovas die Zahl ihrer Kontrollen deutlich erhöht. Insgesamt seien in diesem Jahr bislang 541 Personen kontrolliert worden - 325 mehr als im gesamten vergangenen Jahr, sagte ein Sprecher der Innenbehörde am Freitag. Aufgesucht worden seien sogar 889 Waffenbesitzerinnen und -besitzer - aber nicht alle seien angetroffen worden.

Innensenator Andy Grote (SPD) hatte nach der Tat im März eine Reform der Sicherheitsbehörden angekündigt und im Juni ein Maßnahmenpaket vorgelegt, dessen Umsetzung aus Sicht der CDU-Opposition aber noch zu Wünschen übrig lässt.

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zeigte sich unzufrieden. „Es ist vollkommen unkonkret, was das Maßnahmenpaket an Neuem mit sich bringt, bis auf vielleicht ein paar mehr Tarifstellen. Ansonsten ist alles gleich geblieben“, sagte Hamburgs BDK-Vorsitzender Jan Reinecke NDR info.

Der 35 Jahre alte Philipp F. hatte am 9. März im Hamburger Stadtteil Alsterdorf sieben Menschen und sich selbst erschossen. Er nutzte dazu eine legale, amtlich registrierte Waffe. Er war als Sportschütze den Behörden bekannt. Auch hatte es einen anonymen Hinweis gegeben, dass er gefährlich sei. Eine Überprüfung in seiner Wohnung war wenige Wochen vor der Tat ohne Konsequenzen geblieben. Gegen einen Bediensteten der Waffenbehörde, der Hinweise aus dem Umfeld des Täters nicht dokumentiert und weitergegeben haben soll, wird inzwischen disziplinar- und strafrechtlich ermittelt.

Der Sprecher der Innenbehörde sagte, die Waffenbehörde sei inzwischen mit drei weiteren Polizeivollzugsbeamten verstärkt worden. „Drei weitere Stellen sind derzeit im Ausschreibungsverfahren.“ Aktuell arbeiten in der Waffenbehörde 30 Beamte. Künftig sollen für die Kontrolle von Waffenbesitzern täglich drei Teams im Einsatz sein.

„Alle Mitarbeitenden der Waffenbehörde wurden außerdem nach den neu festgelegten Compliance-Richtlinien überprüft“, sagte der Sprecher. Es gelte der Grundsatz: „Kein dienstliches Handeln bei privater Betroffenheit.“ So soll beispielsweise niemand für die Waffenbehörde tätig sein dürfen, wenn eine anzeigepflichtige Nebentätigkeit in einem Hamburger Schießclub oder Schützenverein vorliegt.

Auch hätten alle Mitarbeiter eine intensive Einweisung zum Umgang mit Gefahrenhinweisen und eine Checkliste dazu erhalten, sagte der Sprecher. „Zudem fand im August eine Veranstaltung zum Erkennen von psychischen Auffälligkeiten und den Grenzen der Erkennbarkeit in den Räumen der Waffenbehörde statt.“

Das Kompetenzzentrum für Risikobewertung im Landeskriminalamt sei noch im Aufbau. Dort sollen deliktorientiert und einzelfallbezogen Sachverhalte im Hinblick daraufhin analysiert werden, ob ein Risiko schwerer Gewalttaten wahrscheinlich ist. „Das schließt ausdrücklich auch die Bewertung von Hinweisen an die Waffenbehörde zu Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen ein“, sagte der Sprecher.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hatte zum Maßnahmepaket 35 Fragen an die Innenbehörde geschickt - und ist mit den nun vorliegenden Antworten nicht zufrieden. Sie „zeigen sehr deutlich, dass die Ankündigungen des Innensenators bisher reine Ankündigungen sind. Nichts von dem, was gesagt wurde an Personalverstärkung, an Spezialisierung, ist bisher umgesetzt“, sagte deren Innenexperte Dennis Gladiator NDR info.

Er unterstützt ausdrücklich den Vorschlag des BDK, Waffen nach glaubhaften Gefahrenhinweisen auf den Besitzer sicherzustellen, auch wenn die Hinweise anonym sind. Stelle sich der Verdacht später als unbegründet heraus, bekomme der Schütze die Waffe wieder zurück. Das würde auch nicht zu viel Aufwand bedeuten. „Wie viele derartige Hinweise hat denn die Polizei Hamburg in der Vergangenheit bekommen? Eine Handvoll“, sagte Reinecke.

„Die Aussage des BDK wird aus unserer Sicht durch die geltende Rechtslage nicht gedeckt“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Gefahrenabwehrende Maßnahmen setzen immer eine konkrete, unmittelbar bevorstehende Gefahr voraus - in diesem Fall konkret, dass in besonderer zeitlicher Nähe mittels einer Waffe Straftaten zum Nachteil von Leib und Leben zu erwarten gewesen wären.“ Eine derartige Gefahrenlage habe sich aufgrund des anonymen Schreibens, das keinerlei Hinweise auf möglicherweise konkret bevorstehende Straftaten enthalten habe, eben gerade nicht ableiten lassen, betonte Levgrün. „Andernfalls wären auch waffenbehördlich schnelle, gefahrenabwehrende Sofortmaßnahmen rechtlich möglich gewesen.“ Die Waffenbehörde könne bei entsprechend ausreichender Gefahrenlage die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen und Waffen sicherstellen. Das komme in der Praxis auch immer wieder vor.

© dpa-infocom, dpa:230929-99-380514/5

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