Trauerfeier:Sprenkörper-Angriff: „Wie wenn eine Bombe explodiert wär'“

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Ein Polizist geht hinter einem Absperrband über den Tatort auf einem Friedhof. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Attacke auf eine Beerdigung im Kreis Esslingen. Ein Mann wirft einen Sprengkörper in die Menschenmenge. Eine Explosion erschüttert den Friedhof. Die Folge: mehrere Verletzte. Und viele offenen Fragen.

Von Valeria Nickel und Nico Pointner, dpa

Altbach (dpa/lsw) - Am Nachmittag wirkt es wieder ruhig und idyllisch auf dem kleinen Friedhof in der Gemeinde Altbach im Kreis Esslingen. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Es ist ein kleiner, sehr grüner Friedhof, viele Bäume. Bunte Blumen umgarnen die Grabsteine. Nur das im Wind flatternde weiß-rote Absperrband erinnert daran, dass sich an diesem Freitag kurz zuvor noch chaotische Szenen abgespielt haben. Ein paar Beamte der Spurensicherung knien im Gras. An dem Haus, wo Andachten gefeiert werden, ist ein Fenster gesplittert. Ein Mann hatte einen Sprengkörper auf die Trauergäste geworfen, fünf Menschen wurden verletzt.

Bis zu 500 Menschen versammeln sich um die Mittagszeit auf dem Friedhof, um eine Beerdigung zu feiern. Sie trauern um einen 20 Jahre jungen Mann, der vor einer Woche in Altbach von einem Zug erfasst wurde. Dann taucht ein Mann auf. Er wirft einen Gegenstand mitten in die Zeremonie. Es kracht gewaltig. Die Anwohnerin Rosemarie Enz beobachtet die Trauerfeier von ihrem Grundstück aus. „Dann tut's auf einmal knallen, wie wenn eine Bombe explodiert wär', so laut“, erzählt sie.

Zunächst war von zwei Verdächtigen die Rede. Was genau da geworfen wurde, ist bis zum Abend unklar. Die Polizei spricht zunächst von einem Knallkörper, dann von einem unbekannten Gegenstand, dann von einem Sprengkörper. Klar ist: Das Wurfgeschoß ist explodiert. Fünf Trauergäste werden dabei verletzt. Sicherheitskreisen zufolge erleiden sie „Brand- und Splitterverletzungen“. Klingt nicht nach einem handelsüblichen Böller, eher nach einer selbstgebauten Sprengvorrichtung.

Nach der Explosion kommt es zum Tumult. Die Trauergäste verfolgen den mutmaßlichen Täter, verprügeln ihn so heftig, dass er mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus geflogen werden muss. Er ist 23 Jahre alt, wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt am Abend mitteilen. Die Polizei spricht von einer sehr aggressiven Stimmung auf der Trauerfeier.

„Altbach ist ein schlechtes Pflaster“, sagt Sandro D. Er steht am Nachmittag an einem Mülleimer auf dem Friedhof und sammelt Pfandflaschen. Er habe mit jungen Männern aus der Trauergemeinde gesprochen. „Die ganze Zeit kamen von überall her die Jungs mit schwarzen Anzügen“, sagt er. „Die haben sich auch mit der Polizei gekloppt. Dann sind sie auf die Krankenwagen losgegangen.“ Sie seien „überaggressiv“ gewesen.

Die Hintergründe der Attacke sind unklar. Der 20-Jährige, der beerdigt wurde, ist laut Polizei ohne Fremdverschulden ums Leben gekommen. Am Bahnhof in Altbach sind Kerzen, Fotos und Blumen abgelegt worden. Ein Friedhofsbesucher und Anwohner berichtet, dass bereits die ganze Woche Dutzende Jugendliche zum Friedhof gekommen seien. Die Polizei schließt Zusammenhänge mit einer Serie von Schüssen in den Bereichen der Polizeipräsidien Reutlingen, Stuttgart und Ulm nicht aus. Deshalb habe nun das Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-999625/4

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