Brand in Kopenhagen:"Unser eigener Notre-Dame-Moment"

Lesezeit: 3 min

Die alte Börse war das Wahrzeichen von Kopenhagen. Gerade wurde das Gebäude von 1625 saniert - und stand am Dienstag plötzlich in Flammen. Das hat womöglich mit den Restaurierungsarbeiten zu tun.

Von Alex Rühle, Stockholm

Gegen halb acht am Dienstagmorgen ging bei den Rettungsdiensten von Kopenhagen der erste Notruf ein: In der ehemaligen Börse auf der Kopenhagener Insel Slotsholmen war ein Feuer ausgebrochen. Um acht Uhr stand dichter Rauch über dem Kupferdach des historischen Gebäudes, bald schossen auch Flammen empor, die sich enorm schnell durch das jahrhundertealte Gebälk fraßen. Ab acht Uhr morgens zeigten die meisten Newskanäle im Land die Brandkatastrophe, um halb neun stürzte der filigrane Drachenturm (Dragespir) in sich zusammen.

Sofort war für alle Dänen die Assoziation da: "Unser Notre-Dame" titelte die Zeitung Berlinske, in Anspielung auf den verheerenden Brand, der die gotische Kirche im Zentrum von Paris zerstört hatte - fast auf den Tag genau vor fünf Jahren, am 15. April 2019. Fast wortgleich twitterte Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen, dies sei "unser eigener Notre-Dame-Moment".

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Hunderte Kopenhagener, die auf dem Weg zur Arbeit vor der Børsen angehalten hatten, mussten dabei zusehen, wie das vielleicht schönste Gebäude der Altstadt zum Opfer der Flammen wurde, viele schrien auf, als die lichterloh brennenden Überreste des Turms auf die Straße fielen. Kurz nach zehn Uhr kollabierten dann auch Teile des Dachs. "Das sind schreckliche Bilder, die wir heute Morgen sehen", schrieb Kulturminister Jakob Engel-Schmidt auf X. "400 Jahre dänisches Kulturerbe in Flammen."

Ein Mann reagiert emotional, als er die alte Börse in Kopenhagen in Flammen sieht. (Foto: Ida Marie Odgaard/dpa)

Verletzte gibt es nach bisherigem Kenntnisstand nicht, aufgrund von Renovierungsarbeiten steht das Gebäude zurzeit leer. Auf dem Dach und den Gerüsten befanden sich zehn Maurer, Dachdecker und Bauarbeiter, die sich aber offenbar alle in Sicherheit bringen konnten.

Erst am Dienstagnachmittag war das Feuer in dem historischen Gebäude unter Kontrolle. Etwa 135 Kräfte waren im Einsatz. Die Nachlöscharbeiten seien aber noch im Gange, sagte der Einsatzleiter der Feuerwehr, Jakob Vedsted Andersen. Die Hälfte der Börse sei mehr oder weniger niedergebrannt, hieß es. "Wir haben mit unserem Vorstand beschlossen, dass wir die Børsen auf jeden Fall wieder aufbauen werden, sagte Brian Mikkelsen, Geschäftsführer der dänischen Handelskammer.

Da sich in der alten Börse über die Jahrhunderte auch wichtige Kunstwerke angesammelt haben, waren auch Bilder in Sicherheit gebracht worden, indem man sie kurzerhand über die Straße trug, ins Schloss Christiansborg, in dem das Parlament, das Oberste Gericht, das Büro der Ministerpräsidentin und einige Repräsentationsräume des Königshauses liegen. Das wohl wichtigste Gemälde "Aus der Kopenhagener Börse" von P. S. Krøyer konnte gerettet werden.

(Foto: SZ-Grafik)

Die Insel Slotsholmen wurde für den Verkehr gesperrt, einige Gebäude, darunter das Finanzministerium, wurden vorsorglich evakuiert.

Die uralten Holzkonstruktionen wirkten wohl wie Brandbeschleuniger

Laut einem Feuerwehrmann konnten sich die Flammen über verschiedene Aufzugschächte rasend schnell in allen Stockwerken ausbreiten. Die vielen uralten Holzkonstruktionen haben dabei wohl wie Brandbeschleuniger gewirkt. Zusätzlich wurde das Feuer dadurch angeheizt, dass das Kupferdach die Hitze nicht entweichen ließ.

Inzwischen ist auch klar, dass viele der tragenden Holzstrukturen beschädigt wurden. Der Gebäudeteil, in dem das Feuer wütete, beginne instabil zu werden, sagte ein Einsatzleiter. Von einem Einsturz des gesamten Gebäudes sprachen die Rettungskräfte zunächst aber nicht.

Laut dem Fernsehsender TV 2 geht die Feuerwehr davon aus, dass der Brand mit den Restaurierungsarbeiten an der Fassade zu tun hat. "Das ist jedenfalls unsere unmittelbare Wahrnehmung", sagte einer der Feuerwehrmänner. "Das Feuer brach in dem Teil des Gebäudes aus, in dem gearbeitet wurde, aber das ist alles, was ich dazu sagen kann."

Feuer und Rauch steigen aus der alten Börse, Gerüste erschwerten die Löscharbeiten. (Foto: Ida Marie Odgaard/dpa)

Die Renovierung sollte eigentlich den architektonischen und kulturhistorischen Wert des Gebäudes stärker glänzen lassen. Børsen oder auch Børsbygningen, in Auftrag gegeben von Christian IV., wurde 1625 fertiggestellt und sollte zum 400. Geburtstag rundum saniert neu eröffnen - weshalb der ganze Komplex eingerüstet und mit Planen verhängt ist, was nun allerdings die Löscharbeiten erschwerte. Leif Hansen, der Architekt, der für die Renovierungsarbeiten verantwortlich ist, sagte, er könne es kaum ertragen, dem Feuer zuzusehen. "Das hätte nicht passieren dürfen. Ich meine, es ist der 400. Jahrestag dieses fantastischen Gebäudes, das noch nie gebrannt hat."

Das Archivbild von 2019 zeigt die alte Börse mit der ikonischen Turmspitze, die nun dem Brand zum Opfer fiel. (Foto: Linda Kastrup/dpa)

Der 117 Meter breite Backsteinbau diente ursprünglich als Warenbörse und ist ein baugeschichtliches Unikat, schließlich verschmolzen die Architekten Laurens und Hans van Steenwinckel darin niederländische Renaissance mit dänischer Architektur. Die ehemalige Börse war das erste Gebäude überhaupt, das in Dänemark 1857 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die spindelgleiche Turmspitze zeigte vier Drachen, deren Schwänze ineinander verdreht sind und in drei Kronen gipfeln, ein Symbol der Union zwischen Norwegen, Dänemark und Schweden - und der Großmachtambitionen der Dänen (Norwegen war bis 1817 dänische Provinz, mit Schweden lag man permanent im Krieg um die Ostseeherrschaft).

Dass das Gebäude alle großen Brände der Stadtgeschichte überstand, wurde laut Stadtmythologie auf den Schutz durch die Drachen zurückgeführt - das Feuer am Dienstag brach aber wohl in unmittelbarer Nähe des Drachenturms aus. Kulturminister Engel-Schmidt erklärte am Nachmittag, man wolle "alles dafür tun", dass der Drachenturm bald wieder über Kopenhagen thront.

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