Konferenz mit Scholl-Latour, Herman und Sarrazin:Die Familienverschwörung

Screenshot: compact-magazin.com

Treffen sich Peter Scholl-Latour, Thilo Sarrazin und Eva Herman auf einer Konferenz zur Familienpolitik - das Compact-Magazin hat sie eingeladen.

(Foto: Screenshot: compact-magazin.com)

Homo-Ehe, Jungs in rosa Kleidern und Gender-Mainstreaming: Ein rechtspopulistisches Magazin mit Hang zu Verschwörungstheorien sieht die Familie in Europa bedroht und beruft eine Konferenz ein. Auf der Gästeliste stehen so illustre Namen wie Eva Herman, Thilo Sarrazin und Peter Scholl-Latour.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Was haben Peter Scholl-Latour, Eva Herman und Thilo Sarrazin gemeinsam? Sie waren mal richtig gut in dem, was sie gemacht haben. Doch heute sorgen sie vor allem für Krawallstimmung. Dem 89-jährigen, einst geschätzten Publizisten Scholl-Latour schlug heftige Kritik entgegen, seit er inzwischen ziemlich viel Blödsinn redet, auch über sein Spezialgebiet Nahost, - und erst recht nachdem er für das rechte Blatt Junge Freiheit warb. Der frühere Bundesbank-Vorstand und Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin schrieb einen Bestseller, in dem er vor der Überfremdung Deutschlands durch angeblich weniger intelligente Ausländer warnt. Eva Herman, einst Tagesschau-Sprecherin, machte einen missverständlichen Kommentar zur Familienpolitik während der NS-Zeit und ist selbst erklärte Gegnerin des so genannten Gendermainstreamings.

Im November treffen sich alle drei in Leipzig zu einer Konferenz mit dem Titel: "Werden Europas Völker abgeschafft? Familienfeindlichkeit, Geburtenabsturz und sexuelle Umerziehung." Es geht um Familienpolitik und um die steht es nach Ansicht der Organisatoren schlecht. "Die Familie ist als Institution global bedroht", sagt Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins Compact und Veranstalter der Konferenz im Gespräch mit SZ.de. Woran das liegt, sollen die einzelnen Referenten erklären. Deren Grundhaltung ist vor allem eine: dagegen.

Jungs im rosa Kleidchen? Absurd!

Im Mittelpunkt der Veranstaltung sollen vor allem die Anliegen von Eva Herman stehen, heißt es in der Ankündigung. Sie hatte vor drei Jahren mit ihrem Buch "Das Eva-Prinzip" für Aufregung gesorgt. Während der Konferenz will sie die Theorie entkräften, dass das Geschlecht nichts anderes als ein soziales Konstrukt sei. "Gendermainstreaming ist ein wichtiges Thema, das uns alle und besonders unsere Kinder angeht. Denen wird heute bereits in manchem Kindergarten beigebracht, dass es keine unterschiedlichen Geschlechter mehr gibt", sagt sie zu SZ.de.

Daneben wird auch Thilo Sarrazin zu Wort kommen. Er will über die demographische Entwicklung referieren sowie Versäumnisse und Herausforderungen in der Familienpolitik benennen. Eine Vorlage bietet er in der aktuellen Ausgabe von Compact: Zu wenig Deutsche und zu viele Migranten bekämen Kinder, rechnet er in einem Interview mit Jürgen Elsässer vor. Genau wie Herman kritisiert er das Gendermainstreaming: "Jungen werden sich immer als Jungen fühlen und Mädchen immer als Mädchen. Man wird die einen nicht dazu bringen, rosarote Kleidchen anzuziehen, und die anderen nicht zur Begeisterung für Ringkämpfe und Spielzeugautos." Homosexuelle Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichzusetzen, sei genauso absurd wie ein "Faultier" als "Löwe" zu bezeichnen.

Thema Homosexualität sorgt im Vorfeld für Aufregung

Und was hat Peter Scholl-Latour beizutragen? "Er wird den Rahmen spannen", sagt Elsässer. Scholl-Latours Vortrag ist bedeutungsschwer mit "Droht der Untergang Europas?" überschrieben. Zum eigentlichen Thema Familie wird er jedoch nichts sagen, gibt Elsässer zu. Scholl-Latour selbst will sich auf Anfrage nicht zu seiner Teilnahme äußern. Wahrscheinlich dient der Buchautor auch eher als Köder für die vom Veranstalter erwarteten 800 Besucher. 2012 kamen zu einer ähnlichen Konferenz mit dem Oberthema "Wie wird Deutschland wieder souverän?" 700 Zuhörer - auch da referierte schon Scholl-Latour.

Für Aufregung sorgt neben den drei Hauptrednern der Auftritt von Beatrice Bourges. Sie gehört zum radikalen Flügel der Homo-Ehen-Gegner in Frankreich. Zehntausende gingen dort monatelang gegen die "Ehe für alle" auf die Straße. Sie protestierten vergeblich gegen ein Gesetz, wonach Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren dürfen. Außerdem angefragt ist auch der CSU-Politiker Norbert Geis als Redner. Er hatte nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geklagt, homosexuelle Eltern seien "nicht naturgemäß". Seine mögliche Teilnahme sorgt für heftige Kritik seitens der Grünen.

Wer hinter dem Magazin Compact steckt

Elsässer und die anderen Autoren von Compact sehen sich der Kritik ausgesetzt, Hetze gegen Homosexuelle betreiben zu wollen. "Das ist falsch", verteidigt sich der Chefredakteur. Bei der Konferenz wolle man einen Dialog führen. Auf den Hinweis, dass jedoch keine Pro-Position vertreten ist, antwortet Elsässer: "Wir denken darüber nach, jemandem vom Schwulen-und Lesbenverband einzuladen." Wirklich? "Naja, wir müssen erst mal wegen der Räumlichkeiten schauen."

Es wäre eine überraschende Wende. Denn obwohl sich das Magazin rühmt, linke und rechte Positionen abbilden zu wollen, liefert es bisher sehr einseitige Vorstellungen zum Thema. 2011 lautete der Titel der Septemberausgabe "Schulfach schwul - die sexuelle Umerziehung unserer Kinder". In dem dazugehörigen Artikel zeigt sich die Autorin schockiert über ein Schulprojekt, das Kindern Informationen zu Homosexualität vermittelt. Die Grundschüler lernten, dass die traditionelle Familie überholt ist, schrieb sie.

Bin Laden - der CIA-Agent

Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Adoptionsrecht für Homosexuelle schilderte der Journalist Elsässer auf seinem Blog unter der Überschrift "Adoptionsrecht für Schwule? Nein Danke!" seine Vorstellung von Familie und Ehe. Die Begriffe seien eng mit der Möglichkeit zur biologischen Reproduktion verknüpft. "Aus einer homosexuellen Verbindung können keine Kinder entstehen - wer das nicht kapiert, ist ein Vollidiot", schrieb er. Die "Ehe für alle" und das Adoptionsrecht für Schwule seien deswegen abzulehnen.

Doch nicht nur mit dem Thema Familie geht das Magazin fragwürdig um. Compact ist dafür bekannt, Verschwörungstheorien zu verbreiten - etwa, dass Al-Qaida-Chef Osama bin Laden eigentlich CIA-Agent war. Darüber hinaus gilt das Heft als rechtspopulistisch. In der Selbstdarstellung des Magazins werden Faschismus und Zionismus gleichgestellt und Konzentrationslager verharmlost: Wer diesen Begriff auf die deutsche Vergangenheit beschränke, werde die Realität von Abu Ghraib und Guantanamo nicht beschreiben können, heißt es da etwa. Und weiter: "Wer vom 'Zionismus' nicht reden darf, muss auch vom Faschismus schweigen. Aber wir bei Compact lassen uns den Mund nicht verbieten."

Bei der Vorstellung einer Probeausgabe im Jahr 2010 saß der Chefredakteur der Jungen Freiheit auf dem Podium. Da war auch die Rapperin Dee Ex, die ihre Musik als "patriotisch" beschreibt und von der rechtsextremen Zeitung Zuerst! porträtiert wurde.

Die Kritik ist natürlich eine Verschwörung

Besonders die Äußerungen von Chefredakteur Elsässer bringen das Magazin immer wieder in Verruf. Als Ex-Linker und Sympathisant des ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad griff er in einem offenen Brief einen ZDF-Journalisten an. Dieser hatte in einem Kommentar kritisiert, dass Ahmadinedschad vor laufender Kamera den Holocaust leugnete: "Wenn einer den Holocaust rechtfertigt oder verharmlost, würde ich immer scharf dagegenhalten und dies selbstverständlich auch von anderen Journalisten erwarten. Etwas anderes ist, ob man einen Ausländer in seinem Land - das Interview fand in Teheran statt - deutschen Gesetzen unterwirft", schrieb Elsässer.

Hinter der aktuellen Kritik an der Konferenz vermutet der Chefredakteur - wie sollte es auch anders sein - eine Verschwörung. Auf seinem Blog hat er mittlerweile eine Erklärung veröffentlicht. Unter der Überschrift "Lobby-Agitation gegen Compact-Konferenz" schreibt er, eine "bestimmte Szene" habe es wohl nicht überwunden, dass die vergangene Konferenz ein so großer Erfolg gewesen sei. Damals konnten die Referenten relativ unbehelligt von Medien und Aktivisten sinnieren. In diesem Jahr wird das wohl anders sein.

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