Migration:Flüchtlinge in Hannover erhalten Bezahlkarten

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Eine VISA-Debit Karte wird bei einer Pressekonferenz im Rathaus Hannover vor ein Lesegerät gehalten. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

In vielen Städten müssen Flüchtlinge bisher immer wieder Schlange stehen, um an ihr Geld zu kommen. In Hannover soll sich das jetzt ändern - auch zugunsten der Verwaltung, sagt der grüne OB Onay.

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Hannover (dpa/lni) - In der Diskussion um eine Bezahlkarte für Flüchtlinge geht Hannover mit einem eigenen Ansatz voran: Asylbewerber ohne deutsches Bankkonto bekommen ihr Geld in Niedersachsens Landeshauptstadt künftig als Guthaben auf eine Debitkarte gebucht. Das soll die Verwaltung entlasten, Kosten senken und die Teilhabe der Migranten verbessern, sagte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) bei der Vorstellung der Sozialkarte am Freitag.

Anders als in der bundespolitischen Debatte gelegentlich gefordert, sind mit der Karte keine Auflagen verbunden. Die Empfänger können ihr Geld für das ausgeben, was sie wollen, im In- wie im Ausland. Eine Kontrolle findet nicht statt. Auch das Abheben von Bargeld ist möglich. Technisch könnten bestimmte Branchen, etwa Anbieter von Glücksspielen, zwar von der Nutzung ausgeschlossen werden. Onay betonte aber: „Es wird keine Einschränkungen in Hannover geben.“

Mehr Geld bekommen die Flüchtlinge mit der Umstellung nicht. Sie sollen aber nicht mehr Schlange stehen müssen, um von der Stadt sogenannte Verpflichtungsscheine zu erhalten. Mit diesen mussten sie bislang weiter zur Sparkasse, um dort das Geld in bar zu erhalten.

In der Stadtverwaltung wiederum soll die Digitalisierung der Auszahlung gleich sechs Sachbearbeiterinnen Zeit für andere Aufgaben verschaffen. Gleichzeitig fielen Kosten für Sicherheitsdienste weg, die bislang angesichts der Warteschlangen eingesetzt wurden. „Kostentechnisch ist das eine maximale Entlastung“, sagte Onay. Für das neue System werden zunächst rund 2000 Euro im Monat fällig.

Optisch sehen die Karten aus wie jede andere Bezahlkarte - der Flüchtlingsstatus der Nutzer ist beim Bezahlen also nicht erkennbar. Das soll eine Stigmatisierung verhindern. Eine Kooperation mit dem Kartenanbieter Visa soll eine hohe Akzeptanz der Karte gewährleisten.

In einer Pilotphase haben laut Stadt bisher knapp 70 Asylbewerber die Karte erhalten. Anspruchsberechtigt sind aktuell etwa 200 Menschen - darunter auch Sozialhilfe-Empfänger, die kein deutsches Konto haben. Perspektivisch könnte die Zahl der Nutzer auf 300 bis 400 steigen.

Onay zufolge ist Hannover die erste deutsche Großstadt, die dieses System für Sozialleistungen einführt. Entwickelt wurde die Sozialkarte von der Publk GmbH aus Bersenbrück bei Osnabrück.

Deren Gründer Joerg Schwitalla hob hervor, die Beschäftigten in den Kommunen sollten aus seiner Sicht nicht Bankschalter spielen müssen, sondern die Integration voranbringen. Dafür könne die Sozialkarte Freiräume schaffen.

Neben Hannover werde die Lösung seines Unternehmens bereits in einer kleineren Kommune verwendet, zwei weitere kämen im nächsten Jahr hinzu, und auch Leipzig wolle die Sozialkarte künftig einsetzen. Auch andere Unternehmen bereiten Bezahlkarten für Flüchtlinge vor.

Bund und Länder hatten sich Anfang November darauf verständigt, bis Ende Januar Vorschläge für bundesweit einheitliche Standards für eine Bezahlkarte für Flüchtlinge zu entwickeln. Insbesondere die FDP hatte dafür geworben, aus ihrer Sicht, um Schutzsuchenden die Möglichkeit zu nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen.

Onay sagte dazu: „Ich halte die aktuelle Debatte über Beschränkungen der Karte und die Diskussion um Sachleistungen für falsch und nicht zielführend. Es geht hier um Menschen in Notsituationen, denen wir Teilhabe ermöglichen wollen.“

Mit Blick auf die bundesweiten Absprachen seien zudem noch viele Fragen offen. „Was da jetzt vom Bund kommt, wissen wir nicht“, sagte Onay und forderte: Wenn eine bundeseinheitliche Vorgabe beschlossen werden sollte, dann müsse es dabei Spielräume für die Kommunen geben.

Der Oberbürgermeister erneuerte zudem seine Forderung, das Land Niedersachsen solle über die Unterstützung des Bundes hinaus seine eigene Beteiligung an den Flüchtlingskosten erhöhen. Die bisherige Lastenteilung sei nicht fair und gehe zulasten der Kommunen.

© dpa-infocom, dpa:231207-99-217265/3

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