Weltuntergangskult in Kenia:Im Namen Gottes

Lesezeit: 2 min

Der ehemalige Taxifahrer Mackenzie gründete Anfang des Jahrtausends die "Good News International Church". Nun ist er in U-Haft. Das Bild zeigt ihn vor Gericht in Mombasa. (Foto: SIMON MAINA/AFP)

Fast täglich entdecken Ermittler in Kenia neue Opfer einer "Hungersekte", mehr als 200 Tote sind es bereits, die ihren Glauben an Pastor Mackenzie mit dem Leben bezahlten. Nun will die Regierung solchen Kulten Einhalt gebieten. Aber tut sie genug?

Von Paul Munzinger

Kenia steht unter Schock, seit Ende April die ersten Meldungen über schreckliche Funde im Wald von Shakahola die Runde machten. Und dass dieser Schock fortwirkt, liegt auch daran, dass die Ermittler noch immer fast täglich neue Opfer des Weltuntergangskults entdecken, der sich dort vor dem Rest der Welt versteckte. Alleine am Samstag haben sie 22 Leichen ausgegraben. 22 weitere Menschen, die ihren Glauben an die "Good News International Church" des Pastors Paul Mackenzie mit dem Leben bezahlten. Die sich zu Tode hungerten oder ermordet wurden. Die Zahl der Opfer liegt inzwischen bei mehr als 200. Und sie dürfte noch weiter steigen, Hunderte Anhänger werden noch vermisst.

Kenias Präsident William Ruto äußerte sich am Sonntag erstmals ausführlich zu dem Fall, sprach er von einem Versagen der Behörden, für das er die Verantwortung übernehme, und kündigte an, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Seine Regierung steht massiv in der Kritik, seit Wochen kommen neue Versäumnisse ans Licht. Pastor Mackenzie war seit 2017 mehrfach festgenommen und verhört worden. Er kam aber immer wieder frei. Zweimal waren Polizisten laut kenianischen Medienberichten im Wald von Shakahola, wo Mackenzies Anhänger in Dörfern namens Galiläa oder Jericho lebten. Doch sie gingen wieder, ohne etwas zu unternehmen. Nun sitzt Mackenzie in Untersuchungshaft, gemeinsam mit 25 weiteren Verdächtigen.

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Der ehemalige Taxifahrer gründete Anfang des Jahrtausends die "Good News International Church", eine von Tausenden kleinen Pfingstkirchen, die in Kenia in den vergangenen Jahrzehnten wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. "Mushrooming", sagt Edith Kayeli, Religionswissenschaftlerin an der Universität Nairobi. Als Internet-Prediger wurde Mackenzie über Kenia hinaus bekannt. Anfangs eher unauffällig, radikalisierte sich seine Lehre über die Jahre, bis er sich 2019 mit seiner Kirche in den Wald zurückzog.

Die Ermittler gehen davon aus, dass er seine Anhänger dazu anstiftete, sich zu Tode zu hungern. Zuerst sollten die Kinder sterben, dann die Frauen, als letzte die Männer, die noch für das Schaufeln der Gräber gebraucht wurden. Er selbst, kündigte Mackenzie laut Zeugen an, werde als Letzter nachkommen. "Wie oft habe ich euch gesagt, dass der Tod etwas Gutes ist?", zitiert die kenianische Zeitung Nation aus seiner Predigt. "Ihr fallt in einen tiefen Schlaf und auf der anderen Seite wird Jesus auf euch warten."

Die Hingabe seiner Anhänger war für Pastor Mackenzie ein gutes Geschäft

Evangelikale Kirchen, sagt Edith Kayeli, befriedigten ein Bedürfnis nach Spiritualität, das die anglikanische oder katholische Kirche in Kenia häufig nicht erfüllen könnten. Dass sich so viele Menschen aus allen Schichten Mackenzies Lehre mit allen Konsequenzen unterwarfen, ist aber auch für sie kaum zu verstehen. Immer wieder wurde etwa die Geschichte einer Flugbegleiterin erzählt, die ihren Job kündigte, ihr Grundstück verkaufte und in den Wald von Shakahola zog, um zu sterben. "Mackenzie muss sehr charismatisch, sehr überzeugend gewesen sein", sagt Kayeli.

Die Hingabe seiner Anhänger war in jedem Fall ein gutes Geschäft für den Prediger. Recherchen der New York Times zufolge durften sie nicht zum Arzt gehen, sondern mussten sich den Heilungskräften Mackenzies anvertrauen und dafür bezahlen. Die Kinder gingen nicht in die Schule, sondern wurden in der Kirche unterrichtet - ebenfalls gegen Bezahlung.

Eine Kommission soll nun innerhalb eines halben Jahres Vorschläge erarbeiten, wie dem Wildwuchs fragwürdiger Kulte in Kenia Einhalt geboten werden kann. Präsident Ruto, selbst gläubiger Christ und verheiratet mit einer evangelikalen Predigerin, warnte aber zugleich davor, die Schuld am Tod so vieler Menschen der Kirche oder der Religion insgesamt anzulasten. Mackenzie sei ein Terrorist und Krimineller, der individuelle Verantwortung trage. Ruto schwebt eine Selbstkontrolle der Kirchen vor, ohne Einmischung des Staates.

Religionswissenschaftlerin Edith Kayeli bezweifelt, dass das reichen wird. "Solange jeder, der über Nacht eine Vision hat, eine Kirche gründen kann, so lange wird es kaum möglich sein, die Entwicklung neuer und womöglich gefährlicher Kulte zu verhindern", sagt sie.

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