Ungewollt im Hintergrund:Bechern vor laufender Kamera

Lesezeit: 4 min

Bis zum letzten Schluck: Journalistin Emma Dumain hat den Kaffee bei den Impeachment-Anhörungen gegen Trump wohl nötig. (Foto: Video: Youtube, Screenshot: SZ)

Eigentlich geht es um den Job des mächtigsten Mannes der Welt. Doch alle reden über eine Frau, die Kaffee trinkt. Nebensächliche Dinge rücken manchmal versehentlich in den Vordergrund, wenn gerade Großes passiert.

Von Anna Fischhaber, Natascha Holstein und Oliver Klasen

Da bringt gerade ein Oberstleutnant im Zeugenstand den mächtigsten Mann der Welt in Schwierigkeiten, doch Emma Dumain geht während der Impeachment-Anhörung einem sehr profanen Bedürfnis nach: Sie trinkt Kaffee. Es sind zwei kleine Schlucke, die die Politikjournalistin dem Pappbecher noch abtrotzt, den Kopf tief in den Nacken gelegt. Dumm nur, dass sie genau in der Sichtachse der Kamera sitzt und nun die ganze Welt an diesem Moment teilhaben kann. Ein Einweg-Kaffeebecher derart prominent ins Bild gerückt, das birgt Gefahren. "How dare you?", könnten die Anhänger von Greta Thunberg rufen.

Bei Dumain wird später weniger ihr Umweltbewusstsein thematisiert, als die Art, wie sie Kaffee trinkt. Lechzend nach Koffein, auch den letzten Tropfen aufsaugend. Es sei nicht einmal besonders guter Kaffee gewesen, sagte die Journalistin in einem Interview, bloß das Durchschnittserzeugnis eines Kettenladens in Washington D.C., das sie sich in morgendlicher Hetze auf dem Weg ins Kapitol geschnappt habe. Die weit zurückgelehnte Haltung sei unabdingbar gewesen, weil jene Kette eben besonders schmale und besonders hohe Becher verwende. Dumain könnte sich von nun an vermutlich ihr Leben lang von Kaffeefirmen sponsern lassen, so wie Sportmoderator Waldemar Hartmann, der sich heute noch freut, dass Rudi Völler damals diesen Satz mit den drei Weißbier gesagt hat.

Nebensächliche Dinge, die versehentlich in den Vordergrund rücken, passieren oft gerade dann, wenn sich Großes ereignet. Ein paar weitere Beispiele aus Sport, Fernsehen und Politik.

Laaangweilig

Unflätige Kommentare, Wutreden, Tweet-Tiraden: Donald Trump weiß, wie man Aufmerksamkeit auf sich zieht. Inzwischen zumindest. Denn ausgerechnet bei seiner ersten Rede in der Wahlnacht schaut alles auf den kleinen, müden Jungen neben ihm. Barron Trump, damals zehn Jahre alt, sieht in seinem Anzug aus wie eine Mini-Ausgabe des Vaters. Während der seinen Triumph feiert, blinzelt und gähnt der Sohn, kneift die Augen zusammen und schaukelt hin und her. Man kann das als schlechtes Benehmen begreifen, aber auch als Zeichen der Hoffnung. Ein Twitter-User schrieb damals: "Barron ist wunderschön. Selbst, als sein Vater seine Siegesrede hielt, die sich nach dem Ende der Welt anhörte, half mir sein Anblick, das zu überstehen." Nichts ist schließlich entlarvender, als wenn selbst der eigene Nachwuchs den Vater ermüdend findet. Sogar einen Mangakünstler soll Barron mit seinem Auftritt inspiriert haben. Geplant war ein japanischer Comic mit dem Arbeitstitel: "Mein lauter, nerviger Vater ist Präsident und das ruhige, bescheidene Leben, das ich wollte, ist komplett vorbei."

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Vom Winde verweht

Sich ein bisschen durchpusten lassen, das wehende Puschelmikrofon richtig in Szene setzen und den Zuschauern ein Gefühl geben, was Windstärke zehn bedeutet, das ist im Wesentlichen der Job von Wetter-Reportern, die vor stürmischer Kulisse vor die Kamera treten. Ute Lawrenz erledigte all dies auf vorbildliche Weise, als sie Anfang Dezember 2013 für den NDR aus Ostfriesland über Orkan Xaver berichtete. Zwei halbnackte Männer, die im Hintergrund umhertanzten wie einst die Backstreet Boys, lieferten das erotische Rahmenprogramm - und bringen den "Gangnam-Style" nach Norddeich.

Schön sauber

Normalerweise ist man als Tagesschau-Sprecherin gewöhnt, dass die Begrüßungsformel am Anfang der Sendung nicht erwidert wird. Ein wenig Verwunderung ist Susanne Daubner im Februar 2000 daher anzusehen, als ein tiefes, freundliches "Morgen" auf ihr "Guten Morgen" folgt. Aber sie ist ja Profi, also weiter im Text. Daubner informiert das Publikum über die Nachfolge des damals zurückgetretenen CDU-Vorsitzenden Schäuble. Die höfliche Reinigungskraft ist aber noch nicht fertig. Da rechts neben dem Moderationstisch, da ist doch sicher noch etwas Staub. Haben wir gleich, ein Stoß Sprühreiniger und einmal schnell drübergewischt. Fertig. Die Sprecherin lässt sich trotzdem nicht aus der Fassung bringen - ist immerhin die wichtigste Sendung im deutschen Fernsehen. Nur ein kleines Lächeln verkneift sie sich. Jahre später auf die Panne angesprochen sagte Daubner: "Wenn ich damals allerdings geahnt hätte, wie oft diese Sequenz im deutschen Fernsehen gezeigt werden würde, wäre ich vorher nochmal zum Friseur gegangen und hätte mir auf jeden Fall einen anderen Blazer angezogen".

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Von rechts reingeschoben

AfD-Mann Andreas Kalbitz ist zufrieden, sehr zufrieden sogar, denn seine Partei hat bei der Wahl in Brandenburg gut abgeschnitten - und das will er jetzt auch im TV-Interview rüberbringen. Kalbitz sagt irgendwas von harter Arbeit und Opposition, da schiebt sich plötzlich dieses Schild ins Bild. Ein bisschen unscharf, aber gut erkennbar. "Rassisten sind keine Alternative". Später kommt heraus, dass die Aktion Präzisionsarbeit war. Eine Freundin, die vor dem Fernseher saß, koordinierte die Schilderfrau und ihren Freund, der sie auf den Schultern trug, wie das Plakat im TV am besten zur Geltung kommt. Die Aktion verbreitete sich schnell in den sozialen Medien und dann war klar, wer der eigentliche Sieger des Abends ist - die AfD jedenfalls nicht.

Eine deutliche Botschaft für Kalbitz erwartete ihn bei der Live-Übertragung nach der Brandenburg-Wahl. (Foto: Foto: Screenshot/Twitter)

Der zwölfte Mann

München, im Jahr 2001, Viertelfinal-Rückspiel in der Champions-League, Manchester United gegen Bayern München. Die Gäste aus England brauchen jeden Beistand, um den 0:1 Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen. Beim offiziellen Mannschaftsfoto stehen dann tatsächlich zwölf Männer auf dem Rasen. Karl Power, 34, ehemaliger Boxer und arbeitsloser Bauarbeiter, hat sich das Trikot seines Lieblingsvereins übergestreift und sich einfach dazugestellt. Sein Vorteil: Er sieht Eric Cantona ein wenig ähnlich. Und er hat Mumm. Als Außenverteidiger Gary Neville laut fragt: "Wer ist der Typ?", soll Power mit einem scharfen: "Halt die Klappe, Gary!" geantwortet haben. Neville gehorcht - und der Fotograf drückt ab. Es bleibt nicht der einzig große Auftritt Powers: In Wimbledon wechselt er mit einem Kollegen, natürlich beide im Tennis-Dress, minutenlang Bälle. Nach dem Formel-1-Grand-Prix in Silverstone erklimmt er in Rennfahrermontur das Siegertreppchen und lässt sich anstelle des verblüfften Michael Schumacher bejubeln. Auch beim Cricket und beim Rugby war er schon auf dem Feld. Echtes Fan-Sein ist eben auch Leistungssport.

Hätte ja klappen können: Karl Power (ganz links) passt sich in seinem Manchester-Sportdress den Spielern an. (Foto: Shaun Botterill/Getty Images)
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