SZ-Serie "Ein Anruf bei...":Der Mann, der seine Doktorarbeit tanzt

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Evolutionsbiologe Weliton Menário Costa und Drag-Künstler Faux Née Phish beim Videodreh. (Foto: Nic Vevers/ANU)

Ein Evolutionsbiologe hat in Australien den Wettbewerb "Dance your PhD" gewonnen. Hier erklärt er, wie man eine Doktorarbeit über das Sozialverhalten von Beuteltieren tanzt.

Interview von Alexander Menden

Es fühle sich an, als habe er im "Eurovision Song Contest" gesiegt, sagt Weliton Menário Costa. Der Evolutionsbiologe und Datenanalytiker hat den Wettbewerb "Dance your PhD" gewonnen. Der wird alljährlich von der "American Association for the Advancement of Science" und dem Magazin Science vergeben. Ziel ist es, komplexe Forschungsergebnisse mittels Tanz und Musik einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen. Der gebürtige Brasilianer Costa promovierte 2021 an der Australian National University (ANU) über das Sozialverhalten von Kängurus. In seinem vierminütigen Video mit dem Titel "Kangaroo Time" hat er seine Erkenntnisse auf erstaunlich unterhaltsame, nachvollziehbare und nunmehr preisgekrönte Art zusammengefasst.

SZ: Herzlichen Glückwunsch, Dr. Costa. Wie kamen Sie darauf, die Ergebnisse Ihrer Känguru-Forschung in freier Wildbahn tänzerisch auszudrücken?

Weliton Menário Costa: Ich habe schon während meiner Studienzeit immer in den Fluren der Universität getanzt. Ich habe sogar angefangen, selbst Tanzunterricht zu geben. Meine Freunde ermutigten mich dann, an dem Wettbewerb teilzunehmen.

Sie zeigen in dem Video die Individualität und soziale Anpassungsfähigkeit von Kängurus.

Genau! Der erste Schritt war, den Song zu schreiben, dann suchte ich nach Tänzern, die sich möglichst unterschiedlich bewegten, um die unterschiedlichen Verhaltensweisen einzelner Kängurus zu reflektieren. Ich habe Tanzschulen kontaktiert und außerhalb meines unmittelbaren Freundeskreises Ausschau gehalten, um eine möglichst große Diversität zu erreichen.

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Wie haben Sie das Ganze choreografiert?

Gar nicht, und das ist auch aus wissenschaftlicher Sicht wichtig. Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen tanzen ihren eigenen Stil, von Samba bis Ballett. Ich wollte, dass sie mich überraschen und ganz frisch herangehen. Erst haben wir sie dabei gefilmt, wie sie für sich tanzen, und dann in der Gruppe. Durch ihre unterschiedlichen Kostüme konnte man sie immer gut auseinanderhalten. Beim Gruppentanz ging es um die Darstellung dessen, was man "soziale Plastizität" nennt: Verhaltensanpassung innerhalb einer Gruppe.

So machen es die Kängurus auch?

Ja, die Kängurus bewegen sich zwischen verschiedenen Gruppen und passen sich deren Verhalten an. Diese Anpassung hat weitgehend Priorität vor persönlichen Instinkten. Um das sichtbar zu machen, habe ich die Tänzer in unterschiedlichen Gruppen kombiniert und rekombiniert, wobei die einzige Anweisung war: "Passt euch dem Stil der anderen in der Gruppe an." Das führte dann zu einer faszinierenden Mischung verschiedener Tanzstile.

Hilft diese Übertragung wirklich der allgemeinen Verständlichkeit Ihrer Forschungsergebnisse?

Tanz und Musik sind leicht verständliche Sprachen, die über die Realität hinausgehen. Sie vereinfachen das Verständnis dessen, was die Wissenschaft herausfindet, die ja immer sehr ernst, detailliert, genau und von der Wirklichkeit abhängig ist. Performative Kunst erreicht andere Teile des Gehirns.

Warum hat "Kangaroo Time" Ihrer Meinung nach gewonnen?

Viele Teilnehmer schreiben einen Song, packen die Ergebnisse ihrer Forschung in den Songtext und tanzen irgendwie dazu. Andere tanzen sehr gut, haben aber keinen ganz so hohen wissenschaftlichen Anspruch dabei. Ich habe, glaube ich, die Balance zwischen Wissenschaft und Kunst gut hinbekommen. Unser Video ist unterhaltsam, aber durch Einblendungen wird alles, was man sieht, wieder an mein Forschungsprojekt rückgebunden. Im Song singe ich: "Das habe ich von den Kängurus gelernt." So muss man sich nicht zu sehr auf die Lyrics konzentrieren, sondern kann auf die Bewegungen achten, die eine tänzerische Übersetzung des Känguruverhaltens sind. Die Mischung funktioniert.

Arbeiten Sie jetzt noch als Forscher?

Ich habe ein Jahr gar nicht akademisch gearbeitet und dann eine Weile als Wissenschaftlicher Assistent an der ANU. Letztlich habe ich aber entschieden, dass ich mich auf meine kreative Seite konzentrieren und all die Talente nutzen möchte, die bisher brach lagen. Ich bringe in dieser Woche eine EP heraus, auf der ich von meinem Übergang aus der universitären Welt in die Welt der Kunst erzähle. Dass ich jetzt mit etwas einen Preis gewonnen habe, das beide Seiten repräsentiert, ist absolut fantastisch.

Weitere Folgen der Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

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