"Is it evil not to be sure?":Lena Dunham: Macht den Mund auf, Mädchen

Lesezeit: 3 Min.

Lässt sich nicht den Mund verbieten: Lena Dunham. (Foto: picture alliance / AP Photo)

Mit 28 Jahren hat sie eine Autobiografie veröffentlicht, jetzt schiebt die Hauptdarstellerin von "Girls" Tagebuchnotizen aus ihrem ersten College-Jahr hinterher. Muss das sein? Unbedingt.

Von Hannah Beitzer

Warum, zur Hölle, muss das jetzt auch noch sein? Reicht es nicht, mit gerade einmal 28 Jahren die eigenen Memoiren zu veröffentlichen? Müssen jetzt auch noch die unausgegorenen Gedanken der 19-jährigen Lena Dunham raus? Die Autorin, die 2014 ihre Autobiographie "Not that kind of girl" veröffentlichte, legte heute überraschend nach. Der kleine Band "Is it evil not to be sure?" ("Ist es schlimm, unsicher zu sein?") enthält Tagebucheinträge aus Dunhams erstem College-Jahr.

Ja, das musste sein. Denn das Besondere an Dunham ist nicht ihr wenig hollywoodkonformer Körper, nicht einmal ihr komisches Talent. Sondern die Tatsache, dass sich die 30-Jährige, die mit der witzigen New-York-Serie "Girls" berühmt wurde, nicht den Mund verbieten lässt - egal, wie viele Idioten da draußen ihr sagen: Was Du sagst, interessiert keinen! Stimmt ja auch nicht. Der Band mit ihren Tagebuchaufzeichnungen war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

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Mehr als ein typisches Teenie-Tagebuch

Die Befürchtung, "Is it evil not to be sure?" sei nur eine auf ein Jahr verkürzte Version von "Not that kind of girl", ist ohnehin unbegründet. Denn eigentlich erfährt der Leser darin relativ wenig aus dem Leben der 19-jährigen Lena Dunham. Der Band liest sich eher wie eine stilistische Fingerübung, wie eine lose Gedankensammlung anstatt eines fortlaufenden Lebensberichts. Sie habe in ihrem ersten Jahr im College angefangen, kleine Beobachtungen, Gefühle und kreative Schnipsel aufzuschreiben, erklärt Dunham im Vorwort.

"Ich war immer müde (Pfeiffersches Drüsenfieber) und immer hoffnungsvoll (Sex)", fasst sie diese Zeit flapsig zusammen. Ihr Uterus habe sich angefühlt "wie die geballte Faust einer wütenden Aktivistin". Das ist die typische ironische Distanz, mit der 30-Jährige auf ihr unfertiges 19-jähriges Ich blicken. Doch peinlich ist Dunham dieses Ich nicht. Warum auch - viel von dem, was die Autorin, Feministin, Filmemacherin und Schauspielerin berühmt machte, steckt schon in den Tagebuchaufzeichnungen der jungen Lena.

Fans von "Girls" hören Hannah sprechen

Dunhams Witz zeigt sich etwa in dieser lakonisch geschilderten Szene auf einer Party: "'Ich habe gelogen', sagt sie zu mir, 'der Schnitt in die Pulsadern von vorhin blutet sehr. Wenn ich benommen wirke, kannst Du etwas tun.' Wir tanzen weiter." An anderer Stelle schreibt sie: "Er war verzaubert von ihrem Aktivismus und ihrer Kenntnis des Verfassungsrechts."

Dass sie schon damals über viel Selbstironie verfügte, zeigt sich in Passagen wie diesen:

"Ich habe eine Erzählung über die 13. Straße geschrieben."

"Ich auch!"

"Du kommst in meiner Erzählung vor."

"Ich wollte dich auch vorkommen lassen. Aber dann hatte ich doch das Gefühl, das wäre nur eine komplizierte Nebenhandlung, die ich eigentlich gar nicht brauche."

Fans der Serie "Girls" hören da sofort deren egozentrische Hauptperson und verhinderte Autorin Hannah sprechen. Und natürlich findet sich auch schon in den Aufzeichnungen der Wunsch, mehr zu sein als irgendein College-Mädchen, das private Gedanken in ein Tagebuch kritzelt: "Wie Joan Didion frage auch ich mich, wozu ich das alles aufschreibe. Liegt ein tieferer Sinn in all diesen kleinen Schnipseln, die ich nicht zusammenführen kann?" Die große Journalistin und Autorin Joan Didion als Referenz - an mangelndem Selbstbewusstsein litt Dunham auch zu dieser Zeit offensichtlich nicht.

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Das Buch lebt nicht von literarischer Qualität und Handlung

Daneben enthält das Tagebuch auch eine ganze Menge banales Zeug und typischer Teenager-Gedanken, von denen der Leser nicht so recht weiß, ob die 19-jährige Lena sie noch ernst oder schon ironisch meinte: "Wie sehr willst Du mich? So sehr, dass Du mich töten würdest?"

Ist das jetzt eine literarische Sensation, voller neuer Erkenntnisse? Nö. Das ist aber egal, genauso, wie die Frage, was in den Aufzeichnungen Realität und was Fantasie ist. Denn der Wert der Veröffentlichung liegt nicht in der Handlung oder in der literarischen Qualität. Sondern in der Unbefangenheit, mit der Dunham sie der Öffentlichkeit präsentiert. Sie will Mädchen ermutigen, ihre Stimme zu erheben: Traut Eurer Klugheit, Eurer Kreativität, Euren Gefühlen und Gedanken! Den Erlös von "Is it evil not to be sure?" spendet sie an die Organisation " Girls write now", die junge Autorinnen fördert. Auf Twitter forderte Dunham außerdem ihre Fans dazu auf, unter #isitevil ihre eigenen Erlebnisse mit 19 Jahren zu teilen. Sie selbst hat ihren Mund immer aufgemacht - als Feministin, als Autorin, als Filmemacherin, als Unterstützerin von Hillary Clinton.

Dunhams Aufzeichnungen aus dem ersten College-Jahr enden im November 2006 mit einer Frage: "r u awake?" Bist Du wach? Gut zehn Jahre später lässt die sich für Dunham ohne Zögern beantworten: aber sowas von wach.

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