Schauspielerin Lena Dunham:Mein Leben und ich

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Lena Dunham am Set von "Girls".

(Foto: dapd)

Lena Dunham teilt in der großartigen HBO-Serie "Girls" unverblümt die Ängste ihrer Generation mit dem Fernsehpublikum. Ein gruppentherapeutisches Gespräch in London über die unglamourösen Seiten des 20-Seins.

Von Katharina Riehl

Auf dem Weg nach London hat Lena Dunham sich am Flughafen massieren lassen, und natürlich hat sie darüber ein paar Worte bei Twitter verloren. "Did the thing I swore I'd never do: got a public massage at an airport kiosk. It hurts not to know yourself anymore." Es schmerze, sich selbst nicht mehr zu kennen. 2744 Menschen fanden das so geistreich oder lustig, dass sie diesen Tweet mit einem Favoritensternchen versehen haben.

Mit dem Flughafennews ist man schon mitten drin in der Geschichte der Lena Dunham, die sich und ihr Leben mit der Welt teilt, im Netz, aber vor allem im Fernsehen. Ihre HBO-Serie Girls (Buch, Regie, Hauptrolle) wird von der intellektuellen US-Presse gefeiert, als habe diese 27-Jährige mehr für die Frauen dieser Welt getan als alle Quotenkämpferinnen und Prostitutionsabschafferinnen zusammen.

Liebling aller Mainstreamverachter

Für ihr Buch, das bald erscheinen soll, hat Dunham einen Vorschuss von 3,5 Millionen Dollar bekommen. Im Februar ist sie auf dem Titel der amerikanischen Vogue - die Fotos, klar, hat Annie Leibovitz gemacht. Denn zur Geschichte gehört auch, dass Dunham, Liebling aller Mainstreamverachter, längst ein Teil der Mainstreamkultur geworden ist. Am Wochenende nach ihrem London-Ausflug berichtete ein Onlineportal dann auch noch, dass die Vogue-Bilder der unverfälschten Dunham digital ein wenig aufgehübscht wurden.

London also. Lena Dunham ist mit ihrer Co-Produzentin und zwei der drei anderen Girls hierher geflogen, um mit aus ganz Europa angereisten Journalisten über die dritte Staffel ihrer Serie zu sprechen. In den USA gibt es die neuen Folgen seit ein paar Tagen , nach Deutschland kommen sie erst im April zum Bezahlsender Glitz und Ende des Jahres zu ZDF Neo.

Sammelinterview oder Gruppentherapie

Vorstellen muss man sich diesen Termin folgendermaßen: In einer schicken Hotelsuite mit Kuschelsofas und Matratzen an den Wänden sitzen etwa 30 Journalistinnen zwischen 25 und 45 in freudiger Erwartung eines Events, das deutlich mehr an etwas zwischen Meet-and-Greet und Gruppentherapie erinnert als an ein Sammelinterview.

Eine nordeuropäische Kollegin erzählt, ihr Therapeut habe ihr nach einem sechsmonatigen Burnout geraten, zum Wiedereinstieg etwas zu schreiben, das ihr wirklich etwas bedeute. Sie hat dann ein Portrait über Lena Dunham geschrieben, jetzt arbeite sie wieder als Journalistin. Das ist hier die Fallhöhe.

Pummelig, pleite und so gar nicht glamourös

Girls handelt von vier jungen Frauen, die sich in New York mit den Männern, dem finanziellen Überleben und vor allem mit sich selbst herumschlagen, und hat wirklich gar nichts gemeinsam mit Sex and the City. Als jene Serie 1998 ins Fernsehen kam (auch beim Abokanal HBO), erschienen Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda beinahe unverschämt emanzipiert.

Sie hatten wahnsinnig viel tollen Sex, sie waren selbstbewusst und konnten, ohne viel zu arbeiten, unheimlich viel Geld für irre teure Schuhe ausgeben. Das Leben war mit der Stahlbürste auf Hochglanz poliert. Doch natürlich erzählte die Serie in Wahrheit von nichts anderem als der stockkonservativen Suche vier schöner Frauen nach einem schönen Mann, der sie bitte endlich heiraten möge.

Hannah, Lena Dunhams Figur in Girls, ist pummelig, pleite und psychisch aus dem Gleichgewicht, und in weiten Teilen der Serie ist sie nackt. Das Leben in New York ist nicht besonders glamourös, Mitte 20 zu sein erst recht nicht, und nicht jeder Geschlechtsverkehr auf einem schmuddeligen Sofa führt automatisch zur Totalekstase.

Die Stimme einer Generation

Am Anfang der Serie sagt Hannah, die Schriftstellerin werden möchte, sie könne "die Stimme ihrer Generation sein, oder zumindest die Stimme einer Generation". Liest man Blogs, Artikel oder Twitterposts über die Serie, bekommt man den Eindruck, dass ihr das gelungen sein könnte.

Lena Dunham betritt das Londoner Interviewzimmer, sie trägt ein Blumenkleid und eine ordentliche Frisur samt Make-up, ist freundlich und so klug und witzig wie ihre Fernsehserie. Lena Dunham sieht deutlich hübscher aus als in Girls, was insofern berichtenswert ist, als sie dort ja nicht besonders gnädig mit sich selbst umgeht.

Lena Dunham sagt, dass der Eskapismus in Hollywood-Filmen durchaus seine Berechtigung habe. Ihr Ansatz ist das aber nicht, in Girls solle man die Realität erkennen. Das ist natürlich genau die Haltung, die man ihr jetzt wegen des makellosen Vogue-Covers um die Ohren knallt.

"Bekenntnisliteratur" oder "Gefühlsporno"?

23 Jahre alt war die New Yorker Künstlertochter Lena Dunham, als sie anfing, ihre eigene Fernsehserie zu schreiben. Zuvor hatte sie - das Studium gerade beendet und wieder bei den Eltern eingezogen - einen Film gedreht über eine junge Frau, die gerade ihr Studium beendet hat und wieder bei den Eltern eingezogen ist.

Ihre Mutter und ihre Schwester spielten ihre Mutter und ihre Schwester, nur ihr Vater hatte keine Lust. Für Tiny Furniture, einen wahnsinnigen komischen Film, der kein bisschen wie ein Studentenfrühwerk aussieht und heute wirkt wie ein Prolog zu Girls, lieh sie sich 25 000 Dollar von Freunden und Bekannten. Sie hatte große Angst, sagt Dunham, das nie wieder zurückbezahlen zu können. Doch dann fiel der Film den richtigen Menschen auf.

Lena Dunham gibt in Girls natürlich nicht ihr ganzes Leben preis, aber einen großen Teil davon, und noch ein paar Einblicke mehr gewährt sie dann bei Twitter. Sie sagt, diese Form von "Bekenntnisliteratur" sei jahrzehntelang auf "Chick lit", auf Mädchenunterhaltung, reduziert worden, auf "Gefühlsporno". Sie finde nicht, sagt sie, dass ihre Serie nur von ihrer eigenen emotionalen Realität handle.

Sex mit schönen Männern

Nicht jeder kommt mit Dunhams Frauenbild gut klar, auch dafür ist das Netz ein ganz hervorragender Spiegel. Als die Serienfigur Hannah Sex mit einem ausnehmend schönen Mann hatte, befand eine selbsternannte Online-Erotikkommission das für unseriös unrealistisch: So ein Mann würde niemals mit so einer Frau ins Bett gehen, Shitstorm und so weiter.

Lena Dunham grinst, als die blonde Journalistin links von ihr verschämt eine Frage dazu herauspresst. Sie sagt: "Wenn Menschen glauben, dass ich Patrick Wilson nur gecastet habe, damit ich mit Patrick Wilson herummachen kann, ist das ok für mich." Da, natürlich, lacht das Hotelzimmer.

Sie muss dann schon schnell zur nächsten Interviewgruppe, aber man bleibt ja informiert. Drei Tage nach ihrer Massage am Flughafen twittert Lena Dunham: "Fact: France allows full frontal nudity on network TV but they still can't handle my teddy bear sweatpants." Frankreich erlaube zwar nackte Menschen im frei empfangbaren Fernsehen. Aber mit ihrer Teddy-Jogginghose könne man dort nicht umgehen.

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