Hochwasserkatastrophe im Ahrtal:Ermittlungsverfahren gegen Landrat von Ahrweiler

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Anwohner versuchen in Bad Neuenahr-Ahrweiler, ihre Häuser vom Schlamm zu befreien. Wurden sie zu spät gewarnt? (Foto: Thomas Frey/dpa)

Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Tötung. Und auch im Fall des Erdrutsches in Blessem ermittelt nun die Staatsanwaltschaft.

141 Menschen haben ihr Leben verloren, 17 werden noch immer vermisst. Drei Wochen ist es her, dass sich das kleine Flüsschen Ahr in einen reißenden Strom verwandelte. Extremer Starkregen hatte weite Teile des Ahrtals im Norden von Rheinland-Pfalz unter Wasser gesetzt. Mehr als 42 000 Menschen sind von den Folgen des Hochwassers betroffen. Viele fragen sich: Wurde in der Region zu spät vor den Wassermassen gewarnt und evakuiert? Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat nun Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen aufgenommen.

Es bestehe ein Anfangsverdacht gegen Jürgen Pföhler (CDU), den Landrat des Landkreises Ahrweiler. Dieser habe am Abend des 14. Juli, als die verheerenden Fluten über das Gebiet hereinbrachen, laut Gesetzeslage "möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt" gehabt. Auch gegen ein anderes Mitglied des Krisenstabes aus der Kreisverwaltung werde ermittelt, denn nach den derzeitigen Erkenntnissen habe diese Person "zumindest zeitweise" die Einsatzleitung an jenem Abend innegehabt.

Das Handy des Landrats wurde sichergestellt

Die Staatsanwaltschaft nahm am Freitag Unterlagen des Krisenstabes aus der Kreisverwaltung an sich. Auch die Handys beider Beschuldigter seien sichergestellt worden und würden nun ausgewertet. Beamte des Landeskriminalamtes seien dabei anwesend gewesen, so ein Sprecher des Landkreises. Alle gewünschten Daten, Unterlagen und Materialien seien "sofort und kooperativ bereitgestellt" worden.

Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es Anhaltspunkte dafür, dass "am 14.07.2021 spätestens ab etwa 20.30 Uhr Gefahrenwarnungen und möglicherweise auch die Evakuierung von Bewohnern des Ahrtals, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Flutwelle betroffen waren, geboten gewesen wären". Dies sei möglicherweise nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder nur verspätet erfolgt.

Ein entsprechendes Unterlassen sei möglicherweise für einen Teil der Todesfälle und der Verletzungen "(mit)ursächlich" gewesen. Eine Auswertung habe ergeben, dass sich die Todesfälle überwiegend flussabwärts von Ahrbrück aus mit einem großen Schwerpunkt in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ereignet hätten.

Die Staatsanwaltschaft weist in ihrer Mitteilung allerdings auch darauf hin, dass derzeit lediglich ein Anfangsverdacht gegen den Landrat und den Kreismitarbeiter bestehe, der "auf einer mit Unsicherheiten und Lücken behafteten Erkenntnislage" beruhe.

In Köln wird gegen Unbekannt ermittelt

In NRW hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Es gehe um den Verdacht der Baugefährdung im Zusammenhang mit der Havarie der Blessemer Kiesgrube, erklärte die Behörde am Freitag. In der Stadt nahe Köln war in der Nacht zum 16. Juli der Boden nahe einer Kiesgrube am Fluss Erft weggerutscht, nachdem Starkregen die Grube geflutet hatte. Mehrere Gebäude wurden mitgerissen, es gab keine Toten.

Im Stadtteil Blessem in Erftstadt gab es einen massiven Erdrutsch. (Foto: Christoph Reichwein (crei) /imago images/Reichwein)

Parallel werde die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen möglicher Versäumnisse von Verantwortlichen bei der Flutkatastrophe geprüft, erklärte eine Sprecherin der Kölner Staatsanwaltschaft. Dafür müssten aber zunächst die komplexen Fakten und Zuständigkeiten der Flutkatastrophe aufgearbeitet werden. Dies werde sicherlich längere Zeit dauern.

Ähnlich äußerten sich Sprecher der Staatsanwaltschaften Bonn und Aachen. Auch in diesen Behörden gibt es derzeit keine förmlichen Ermittlungsverfahren gegen konkrete Beschuldigte. "Wir prüfen den Sachverhalt ergebnisoffen", sagte ein Sprecher der Behörde in Aachen.

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