Hannover:Hannover macht das Beste aus dem Bombenfund

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  • 50 000 Menschen mussten am Sonntag ihre Wohnungen in Hannover verlassen, weil drei Bomben entschäft wurden. Um 18 Uhr durften sie zurück in die Häuser.
  • Die Hannoveraner machen das Beste aus der Situation. Wer evakuiert werden muss, kommt in die Kinos billiger rein.
  • Was Bombenentschärfungen angeht, ist Hannover eine geplagte Stadt. Noch immer schlummern Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg unter den Häusern.

Von Carsten Scheele, Hannover

Um punkt 18 Uhr ist alles vorbei. "Sicherheitsbereich aufgehoben", verkündet die Einsatzleitung, alle drei Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg, die Hannover am Sonntag in den Ausnahmezustand versetzt haben, wurden von den Sprengmeistern entschärft. Als die Zünder kontrolliert gesprengt sind, dürfen 50 000 Menschen zurück in ihre Wohnungen. Für sie endet ein Tag des Wartens und der Ungewissheit.

50 000 Menschen, darunter die Patienten einer Klinik und die Bewohner von sieben Alten- und Pflegeheimen - das ist auch im Evakuierungs-erprobten Hannover eine heftige Dimension. Bombenentschärfungen gehören hier zwar zur Routine, seit dem Zweiten Weltkrieg schlummern etliche Blindgänger im Stadtgebiet. Alle paar Monate werden welche entdeckt, die dann unschädlich gemacht werden müssen. Allein 2016 gab es vier Blindgänger-Einsätze, doch diesmal ist alles ein bisschen heftiger. Drei Stadtteile werden evakuiert - Vahrenwald, List und Nordstadt, das ist ein Zehntel Hannovers, gemessen an den Einwohnerzahlen, die zweitgrößte Evakuierungsaktion in Deutschland seit 1945.

Ab neun Uhr am Sonntagmorgen fahren Polizei und Feuerwehr durch die mehr als 150 betroffenen Straßen, fordern die Menschen mit metallisch scheppernden Ansagen auf, ihre Wohnungen zu verlassen. Die allermeisten machen sich brav auf den Weg, raus aus der Stadt, zu Freunden oder in Notunterkünfte. Polizisten klingeln an den Türen, einzelne müssen aufgebrochen werden, weil sich Unbelehrbare den Evakuierungsplänen widersetzen.

Hannover
:Drei Blindgänger sorgen in Hannover für Geisterstimmung

50 000 Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen, weil auf einer Baustelle Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Am Ende hat das Entschärfungskommando weniger Bomben entdeckt als erwartet.

Polizeihubschrauber kreisen in der Luft

Mittags gleichen die Gebiete einer Geisterstadt, die sonst wuselige Lister Meile - menschenleer. Die vielbefahrene Vahrenwalder Straße - als wäre autofreier Sonntag. Polizeihubschrauber kreisen in der Luft, suchen das Gebiet mit Wärmekameras ab, eine schauerliche Szenerie. Die bange Frage: Geht auch diesmal alles gut?

Hannover ist eine bombengeplagte Stadt. Allein in der Nacht zum 9. Oktober 1943, beim schwersten Angriff der britischen Royal Air Force während des Zweiten Weltkriegs, gingen 258 000 Brand- und 3000 Sprengbomben auf die Stadt nieder. Der Widerstand in Nazideutschland sollte gebrochen werden, der alte Kern der Stadt wurde quasi ausradiert, aber nicht alle Bomben detonierten. Hannover wurde wieder aufgebaut, die ungebetenen Gäste aber schlummern weiter unter den Häusern.

Die Stimmung der Menschen ist entspannt

Am Sonntag machen die Hannoveraner das Beste aus der Situation. Wer evakuiert werden muss, kommt in die Kinos billiger rein. Die Museen der Stadt legen Extraschichten ein, Busse und Bahnen fahren nach Sonderplänen. Die Stimmung der Menschen ist entspannt, etwa an der IGS Büssingweg, wo die Evakuierten ab mittags mit Suppen versorgt werden. Unter dem Hashtag #hannbombe schildern die Bürger bei Twitter ihre Erlebnisse, manchen ist zu Scherzen zumute. "So viele freie Parkplätze wird's auf Jahre nicht mehr geben", schreibt einer.

Spät am Nachmittag können die Sprengmeister loslegen. Drei der vermeintlichen Blindgänger entpuppen sich als ungefährliche Schrottteile, drei weitere (zwei Fünf-Zentner- und eine Zehn-Zentner-Bombe) müssen entschärft werden. Eine ist problematisch, weil sich der Zünder nicht händisch entfernen lässt. Ein Wasserstrahlschneider kommt zum Einsatz, eine Mischung als Wasser und Quarzsand wird mit hohem Druck millimetergenau in die Bombe gepresst, das Metall zerschnitten, bis der Zünder freiliegt. Der gefährlichste Moment des Tages. Alles geht gut. Nach neun Stunden dürfen die Hannoveraner wieder nach Hause. Bis zum nächsten Mal, die nächste Evakuierung kommt bestimmt.

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