Hamburg:Härtere Urteile nach Gruppenvergewaltigung

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Die Richterin sprach bei drei der Täter von andauernder "emotionaler und sozialer Verarmung". (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Emotionale und soziale Verarmung: Das Landgericht Hamburg schickt nach einem neuen Prozess deutlich mehr Angeklagte ins Gefängnis.

Von Peter Burghardt

An einem schönen Nachmittag im Juni fiel nun also ein neues und härteres Urteil über das, was in jener eiskalten Winternacht im Hamburger Süden geschah. Am 11. Februar 2016 hatten drei Jugendliche und ein junger Mann in Harburg bei einer Geburtstagsfeier eine 14-Jährige betrunken gemacht und sich an ihr vergangen; eine 15-Jährige filmte mit dem Smartphone. Nachher wurde das fast besinnungslose Opfer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einen Hinterhof geschleift und halb nackt dort abgelegt, Notärzte retteten das verletzte und unterkühlte Mädchen.

Jetzt schickt das Landgericht Hamburg anders als beim ersten Prozess nicht mehr nur einen, sondern drei der Angeklagten ins Gefängnis. Der seinerzeit 21-jährige Bosko P. muss vier Jahre und sechs Monate in Haft. Ein damals 16-Jähriger und ein zur Tatzeit 14-Jähriger werden mit zwei Jahren und neun Monaten beziehungsweise drei Jahren Freiheitsentzug bestraft. Die Gefängnisstrafen für die anderen beiden, zwei Jahre für einen damals 16-Jährigen und ein Jahr und acht Monate für eine 15-Jährige, wurden zur Bewährung ausgesetzt, weil bei ihnen im Rahmen dieses Verfahrens Reue und Besserung zu erkennen gewesen seien.

Vorgeworfen wurde ihnen allen schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, gefährliche Körperverletzung und das Anfertigen jugendpornografischen Materials. Die Vorsitzende Richterin sprach bei drei der Täter von andauernder "emotionaler und sozialer Verarmung", obwohl seit diesem Verbrechen schon mehr als zwei Jahre vergangen sind. So fiel in diesem aufsehenerregend Fall der neue Richterspruch deutlich schärfer aus als beim ersten Prozess. Im Oktober 2016 kamen die vier minderjährigen Beschuldigten mit Bewährungsstrafen davon, nur der Erwachsene musste für vier Jahre ins Gefängnis.

Damals jubelten die Freunde im Gerichtssaal, diesmal flossen Tränen

Im Gerichtssaal jubelten Freunde und Angehörige damals, diesmal flossen Tränen. Die öffentliche Entrüstung hingegen war vor 20 Monaten so groß, dass sich Zehntausende einer Online-Petition anschlossen. Die Staatsanwaltschaft ging unabhängig davon in Revision, der Bundesgerichtshof hob das alte Urteil auf. Seit Januar 2018 verhandelte die Große Strafkammer 17 als Jugendkammer ein zweites Mal und urteilte strenger als zuvor die Große Strafkammer 27.

Das Medieninteresse war wieder erheblich, auch am Mittwoch drängten sich die Kameraleute und Reporter vor dem Saal. Drinnen durften sie zwar nur kurz dabei sein: Schon während der erneuten Hauptverhandlung und auch bei der Urteilsbegründung wurden Zuschauer und Journalisten ausgeschlossen, es ging ja um sehr intime und schlimme Details junger Menschen. Das Gericht wollte die geschädigte Nebenklägerin und auch die Schuldigen der Gruppenvergewaltigung nicht noch einmal vor Publikum bloßstellen.

"Die Gefühllosigkeit dieser Tat hat nicht nur uns, sondern auch die Öffentlichkeit schockiert", sagte die Richterin. Das Strafmaß erklärte sie so: Man orientiere sich im Jugendstrafrecht an der persönlichen Schuld und dem Erziehungsbedürfnis der Täter. "Für Rache und Vergeltung ist in so einem System kein Platz."

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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