Hamburg:Frau flüchtet aus Privat-Gefängnis

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Der Mann, der in Hamburg eine Frau in seiner Wohnung einsperren wollte, war der Polizei bereits als Stalker bekannt. Der Mann hätte sein Tun kaum länger verbergen können - die Polizei untersucht nun, was er genau plante.e.

Jens Schneider, Hamburg

In der Wachtelstraße im Hamburger Stadtteil Barmbek leben viele Menschen dicht beieinander. Es ist nur sehr schwer vorstellbar, dass der 30 Jahre alte Mieter wirklich glaubte, hier unbemerkt längere Zeit eine Geisel halten zu können. Und dafür hatte er seine Wohnung offenbar vorbereitet. Ein Netz aus Stacheldraht versperrte die ganze Fensterfront der Wohnung im Hochparterre. Das dichte, auffällige Drahtgeflecht soll der Mann gegenüber Nachbarn damit erklärt haben, dass er sich so gegen Einbrecher schützen wollte. In der Wohnung waren offenbar auch die Türen massiv verstärkt, seine Fenster hatte der Mann zusätzlich noch mit dunkler Folie zugeklebt. Seine Nachbarn konnten all das unmöglich übersehen. Beziehungsweise: sich nicht darüber wundern.

Stacheldraht in der Wachtelstraße: Nach kurzer Zeit gelang der entführten Frau die Flucht aus dieser Wohnung. (Foto: dpa)

Auch große Vorräte an Lebensmitteln, die wohl für Wochen hätten reichen können, sollen laut den Berichten von Hamburger Medien in der Wohnung am Freitagabend bereitgestanden haben. Außerdem ist von einem ausgebauten schalldichten Raum in der Etagenwohnung die Rede. Die Hamburger Polizei steht noch am Anfang der Ermittlungen und gibt zu dieser und anderen Fragen nur zurückhaltend Auskunft. Aber es hat den Anschein, dass am späten Freitagabend eine 26 Jahre alte Hamburgerin in dieser Wohnung nur knapp einer längeren Gefangenschaft in der Gewalt des schwer bewaffneten 30-Jährigen entkommen ist. Die junge Frau konnte laut den Angaben einer Polizeisprecherin nach kurzer Zeit aus der Wohnung fliehen.

Über Details zur Geiselnahme machte die Polizei am Sonntag kaum Angaben. Am Freitagabend gegen 21.45 Uhr riefen demnach Nachbarn des jungen Mannes beunruhigt bei der Polizei an. Sie hatten kurz zuvor beobachtet, wie aus seiner Wohnung zunächst eine junge Frau aus einem Fenster im Hochparterre gesprungen und dann schnell vor ihm weggelaufen war. Die Frau sei dann von einem Mann verfolgt worden. Als die Polizeibeamten in der Wachtelstraße eintrafen, fanden sie dort die Tür offen und die Wohnung leer vor - und sie stellten sogleich fest, dass die Fenster eigentümlich gesichert waren.

Der 30-Jährige trug eine Handgranate

Kurz darauf kehrte der 30-Jährige allein in seine Wohnung zurück und wurde von den Polizisten empfangen. Der Mann trug eine scharfe Schusswaffe mit sich, außerdem eine Handgranate. Die Beamten nahmen ihn vorläufig fest. Die Frau meldete sich kurz nach ihrer Flucht bei einem anderen Polizeikommissariat und berichtete dort, dass er sie als Geisel genommen hätte.

Nach ihren Angaben kannte sie den Mann bis dahin nur flüchtig über gemeinsame Bekannte. "Es gab keine Beziehung zwischen den beiden", erklärt eine Polizeisprecherin im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Der Mann habe die Frau an diesem Abend in ihrer Wohnung besucht, dort plötzlich die Schusswaffe und die Handgranate hervorgeholt und sie bedroht.

Der Mann zwang die vier Jahre jüngere Frau dann offenbar, ihn nach Barmbek in seine Wohnung zu begleiten. Dort sei es ihr dann aber nach kurzer Zeit gelungen, den Stacheldraht vor einem Fenster zur Seite zu drücken und ins Freie zu springen.

Am Sonntag wurde gegen den Mann dann Haftbefehl wegen versuchter Geiselnahme erlassen. Er sei "polizeibekannt" und schon vor mehreren Jahren wegen Stalkings aufgefallen, sagte die Polizeisprecherin. Das Landeskriminalamt hat inzwischen die Ermittlungen in dem Fall übernommen. Die Beamten untersuchen demnach nun, was genau der Mann in dieser Wohnung plante - mitten in Hamburg.

© SZ vom 22.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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