Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 122 Frauen von ihrem Partner oder Expartner getötet worden. Insgesamt wurden mehr als 114 000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, Bedrohungen oder Nötigungen durch ihre Ehemänner, Partner oder Expartner. Mehr als einmal pro Stunde wird statistisch gesehen eine Frau durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt.
Die aktuellen Zahlen seien "alarmierend", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bei der Vorstellung einer Auswertung des Bundeskriminalamts (BKA) zum Thema Partnerschaftsgewalt in Berlin. Anlass ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Bei Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und sexueller Nötigung in Partnerschaften seien die Opfer zu 98,4 Prozent weiblich. Bei Bedrohung, Stalking, Nötigung in der Partnerschaft seien es 88,5 Prozent, bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung seien es 79,9 Prozent, bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen seien 77 Prozent der Opfer Frauen.
Die Zahlen zeigten, dass "weiterhin viel zu viele Frauen unter Gewalt von ihrem Partner oder Expartner" litten, sagte Giffey schon vorab der Nachrichtenagentur dpa.
Die Ministerin startete am Montag auch eine bundesweite Initiative. Unter der Überschrift "Stärker als Gewalt" haben sich dafür Organisationen zusammengeschlossen, die Betroffenen helfen. Es geht nun vor allem darum, diese Hilfsangebote bekannter zu machen und Gewaltopfer zu ermutigen, sich Unterstützung zu holen. Dafür wird unter anderem die Webseite stärker-als-gewalt.de am Montag online geschaltet.
Femizid:"Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind"
Alle zwei bis drei Tage stirbt in Deutschland eine Frau infolge häuslicher Gewalt. Feminis-tische Gruppen und Die Linke fordern den Straftatbestand "Femizid". Juristin Leonie Steinl sieht das anders.
Den BKA-Daten zufolge ist die Zahl der Tötungsfälle im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017 zwar um 25 gesunken, insgesamt wurden aber mehr Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Die Zahl stieg konkret von 113 965 auf 114 393. Gezählt wurden Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Mehr als 81 Prozent der von Gewalt in Partnerschaften Betroffenen sind nach demnach Frauen. Daneben gab es etwa 26 000 Männer, die von ihren Partnerinnen oder Expartnerinnen bedroht, genötigt oder angegriffen wurden.
Nur jedes fünfte Opfer sucht Hilfe
Wie in den vergangenen Jahren sind die Fallzahlen in diesem Bereich damit erneut gestiegen. Unklar bleibt allerdings, inwiefern es sich um einen tatsächlichen Anstieg der Fälle handelt oder wie sehr ein geändertes Anzeigeverhalten der Betroffenen möglicherweise eine Rolle spielt. Gezählt werden können nur die Taten, die auch angezeigt werden. Weiterhin wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.
Nach früheren Angaben von Giffey sucht nur jedes fünfte Opfer überhaupt Hilfe. Betroffen seien tatsächlich Hunderttausende. Das Bundesfamilienministerium weist auf sogenannte Dunkelfeldstudien hin, wonach jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebe.
Bund, Länder und Kommunen wollen nun die Hilfsangebote für Frauen ausbauen. Ende Oktober wurde dafür das Programm "Gemeinsam gegen Gewalt" vorgelegt. Allein der Bund plant demnach in den kommenden Jahren 120 Millionen Euro für den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen in Deutschland ein. In Deutschland gibt es etwa 350 Frauenhäuser.