Geschichte:33 Jahre Deutsche Einheit: Hunderttausende feiern in Hamburg

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Zahlreiche Besucher sind beim Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit auf dem Jungfernstieg unterwegs. (Foto: Jonas Walzberg/dpa)

Die Wiedervereinigung liegt inzwischen 33 Jahre zurück. Der 3. Oktober erinnert als Nationalfeiertag daran - dieses Jahr feierte ihn Deutschland mit einem zentralen Fest in Hamburg. Das protokollarische Highlight gab es in der Elbphilharmonie.

Von Markus Klemm und Martin Fischer, dpa

Hamburg (dpa) - Appelle an Gemeinsinn und Zusammenhalt in der Gesellschaft in Elbphilharmonie und Michel sowie Fischbrötchen und Bier an der Alster: Deutschland hat den 33. Tag der Deutschen Einheit zentral in Hamburg gefeiert. Staatsspitze und Kirchen machten sich dabei am Dienstag auch für Eigeninitiativen und Solidarität stark. Derweil feierten rund 700.000 Menschen am Montag und Dienstag unter dem Motto „Horizonte öffnen“ in der Innenstadt ein großes Bürgerfest.

Protokollarischer Höhepunkt war der Festakt in der Elbphilharmonie mit der gesamten Staatsspitze, den Regierungschefs der Länder und den insgesamt rund 1300 geladenen Gästen. Darunter waren unter anderem Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev, Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Drag Queen Olivia Jones und der Komiker Otto Waalkes.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) appellierte als Gastgeber an den Gemeinsinn der Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten. Nur ein starkes demokratisches Deutschland könne Verantwortung übernehmen für ein starkes Europa, das sich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einsetze, sagte der Bundesratspräsident. „Nicht Populismus und Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation sind das Gebot der Stunde. Dafür tragen wir alle Verantwortung.“

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, mahnte in seiner Festrede an, den Staat mit seinen Institutionen und Regularien einfacher und effizienter zu gestalten. „Er muss - auf allen Ebenen - besser, schneller, vor allem lösungsorientierter werden.“ Gleichzeitig sei auch ein handlungs- und leistungsfähiger Staat auf private Initiative und persönliches Engagement angewiesen.

Das Grundgesetz baue darauf, dass Bürgerinnen und Bürger sich einbringen, sagte Harbarth. „Dieses Sich-Einbringen ist nicht nur Quell von Innovation und Fortschritt, von wirtschaftlicher Prosperität und ökologischer Nachhaltigkeit, sondern zugleich das unverzichtbare Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält.“ Zudem rief er zu mehr Miteinander auf: „Die Demokratie lebt auf Dauer nur, wenn wir alle miteinander im Gespräch bleiben. Wagen wir dieses Gespräch über die Grenzen des Bekannten hinaus, in Respekt und mit Stil.“

Die Repräsentanten der obersten Verfassungsorgane wechseln sich bei den Einheitsfeiern als Redner neben dem jeweiligen Regierungschef des Gastgeberlandes ab. Im vergangenen Jahr hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in Erfurt die Rede gehalten, im Jahr davor in Halle/Saale die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kanzler Olaf Scholz warb deshalb über die Plattform X (vormals Twitter) dafür, neue Entwicklungen als Gelegenheit zur Gestaltung zu begreifen. „Wo Neues am Horizont auftaucht, bieten sich immer auch Chancen.“ Dem Mut der Ostdeutschen sei viel zu verdanken. „Sie schenkten unserem Land seine Einheit in Frieden und Freiheit. Auch in herausfordernden Zeiten wie diesen geht es darum, Horizonte zu öffnen.“

Zuvor hatten sich die gesamte Staatsspitze und zahlreiche Gäste bereits zu einem ökumenischen Gottesdienst im Hamburger Michel eingefunden, wo Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs ebenfalls den Zusammenhalt in der Gesellschaft beschwor. „Lasst uns zusammenhalten, was derzeit in Politik und Gesellschaft so auseinanderdriftet“, mahnte die Bischöfin des evangelischen Sprengels Hamburg und Lübeck in ihrer Predigt.

Hamburgs katholischer Erzbischof Stefan Heße rief in seiner Predigt bei dem Festgottesdienst zur Solidarität mit Flüchtlingen auf und forderte eine Reform des europäischen Asylsystems. „Wir brauchen einen besseren Flüchtlingsschutz und eine faire Verantwortungsteilung zwischen allen EU-Mitgliedsstaaten - kurz gesagt: Wir brauchen eine menschenwürdige und eine solidarische Flüchtlingspolitik.“

Die Feierlichkeiten hatten bereits am Montag mit einem großen Bürgerfest begonnen. Rund um Rathaus und Binnenalster kamen dazu nach Angaben des Sprechers des Bürgerfestes schon am ersten Tag mehr als 300.000 Besucherinnen und Besucher zusammen. Bei der „Nacht der Einheit“ konnten sie bis zu später Stunde an vielen Orten der Innenstadt ein Programm aus Live-Musik, Tanzaufführungen und Ausstellungen verfolgen.

Am Dienstag trübte zwar das Wetter mit viel Wind und Regenschauern die Feierlaune etwas ein. Dennoch herrschte am und um den Rathausmarkt großer Andrang, wo sich die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht präsentierten. Ebenfalls beliebt waren in der nahe gelegenen Mönckebergstraße - eine bekannte Einkaufsstraße - die Zelte der Bundesländer sowie die Blaulichtmeile, eine Leistungsschau etwa von Polizei und Feuerwehr. Insgesamt kamen nach Angaben des Sprechers noch einmal mehr Menschen in die Innenstadt als am Tag zuvor, nämlich rund 400.000.

Es gab aber auch Proteste gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Bereits kurz nach dem Start stoppte die Polizei am Montagabend jedoch den Demonstrationszug mit mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie dpa-Reporter berichteten. Die Demonstranten aus der linken Szene hatten ein Transparent enthüllt, auf dem Deutschland vulgär beschimpft wurde.

Die Einheitsfeier bildete den Schluss- und Höhepunkt der Bundesratspräsidentschaft Hamburgs. Am Nachmittag übergab Bürgermeister Tschentscher den Staffelstab symbolisch an Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie übernimmt das Amt am 1. November. Das Motto ihrer Bundesratspräsidentschaft lautet „Vereint Segel setzen“. Vereint stehe für das vereinte Deutschland, sagte sie. Segel setzen passe zu einem Bundesland mit viel Wasser wie Mecklenburg-Vorpommern. „Und es beschreibt auch die Aufgabe, vor der Deutschland steht.“

© dpa-infocom, dpa:231002-99-417568/8

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