Das letzte Wort, er will es nicht. Frank Alfred P. schüttelt nur den Kopf, als Rainer Drees, Vorsitzender Richter am Landgericht Düsseldorf, den Angeklagten am Mittwoch noch einmal fragt, ob er etwas sagen wolle in diesem Prozess. Nichts, der 57-jährige Lackierer schweigt. So wie am ersten Prozesstag. Und so wie immer, seit er am 11. Mai dieses Jahres im zehnten Stock eines Hochhauses in Ratingen festgenommen wurde, nachdem er neun Rettungskräfte mit Benzin übergossen, angezündet und zum Teil lebensgefährlich verletzt hatte. Sein Motiv? Der grauhaarige Mann mit dem zerzausten Bart will es für sich behalten.
Eine halbe Stunde später spricht Richter Drees sein Urteil: lebenslange Haft wegen versuchten Mordes. "Die Tat war so perfide wie sinnlos - und menschenverachtend", sagt Drees. Frank Alfred P. starrt vor sich hin. Seinen linken Arm hält er vor seine Brust, seine rechte Hand ruht am Hals. Keine Regung, keine Reue - auch nicht, als der Richter gegen Ende der Urteilsbegründung noch einmal über das "Warum" spricht. Der Verurteilte habe die Menschen an seiner Wohnungstür allein deshalb töten wollen, "weil diese den von ihm gehassten Staat repräsentierten".
Acht Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter sowie ein Notarzt waren am Vormittag des 11. Mai in die zehnte Etage des Hochhauses an Ratingens Berliner Straße gekommen. Die Hausverwaltung vermutete dort eine "hilflose Person". Doch P. hatte sich verbarrikadiert, auf Klingeln und Klopfen reagierte er nicht. Die ahnungslosen Helfer brachen die Tür auf, räumten eine Wand aus Wasserkästen zur Seite - als P. plötzlich aus einem Wandschrank im Flur trat, aus einem Eimer vier bis sechs Liter Benzin über die Retter schüttete und mit einem brennenden Stück Textil entzündete. Acht der neun Einsatzkräfte erlitten Verletzungen, die ihr restliches Leben prägen werden. Alle leiden an Wunden, Narben, seelischen Qualen.
Bei der Suche nach dem Motiv orientiert sich Richter Drees an einem Gutachten. Auch mit dem Psychiater hatte der Täter nicht sprechen wollen, aber aus Zeugenaussagen und Briefen etwa an Behörden ergab sich das Bild eines einsamen Mannes, der 30 Jahre unauffällig in dem Ratinger Hochhaus lebte - und der sich während der Corona-Pandemie im Jahr 2022 jäh veränderte. P. wurde plötzlich handgreiflich gegenüber einem befreundeten Nachbarn, verfing sich in Verschwörungstheorien, hetzte gegen Ämter und Politiker, gegen Polizisten wie gegen Versicherungen.
Um seine Verachtung gegenüber dem Staat zu dokumentieren, brach P. Verkehrsregeln. Er raste mit seinem Auto an einem Tag gleich neunmal an ein und derselben Blitzanlage vorbei. Alles erschien ihm geradezu diabolisch: Die Anti-Covid-Impfung betrachtete er als "Impfung des Teufels", das Arbeitsamt sah er als "Werkzeug des Teufels", die Medikamente, die seine demente Mutter einnehmen sollte, seien vergiftet. Die Leiche der alten Frau hatten Rettungskräfte am 11. Mai verwest in einem Nebenzimmer von P.s Wohnung in einem Rollstuhl gefunden.
Schuldfähig jedoch, so die klare Aussage des Psychiaters, sei P. sehr wohl. Und weil Richter Drees eine "besondere Schwere der Schuld" ausmachte, dürfte der Täter auch nach Verbüßung der ersten 15 Jahre seiner lebenslangen Haftstrafe keine Chance haben, vorzeitig aus dem Gefängnis zu kommen.