Finanzen:NRW-Kommunen fürchten finanziellen Kollaps: Hilferuf an Wüst

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Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

Schon seit Langem klagen viele Kommunen über zunehmende Belastungen - und fühlen sich bei der Finanzierung von Bund und Land im Stich gelassen. Nun bitten NRW-Bürgermeister Ministerpräsident Wüst um Unterstützung - und drohen mit Steuererhöhungen.

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Düsseldorf/Detmold (dpa/lnw) - Die Kommunen in NRW befürchten wegen steigender Ausgaben den finanziellen Kollaps. Deshalb habe sich rund 350 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit einem „Hilferuf“ an Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gewandt. Eine Abordnung der kommunalen Spitzen übergab dem Regierungschef am Donnerstag im Landtag einen Brandbrief. „Der Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land steht auf dem Spiel“, heißt es darin. Die akuten Belastungen könnten die Kommunen dazu zwingen, ab 2024 die Grundsteuer massiv zu erhöhen und freiwillige Leistungen zu streichen.

„Während die Steuereinnahmen stagnieren und Bund und Land Zuweisungen kürzen, explodieren die Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie die Versorgung von Geflüchteten“, sagte Eckhard Ruthemeyer (CDU), Präsident des Städte- und Gemeindebunds (StGB) NRW und Bürgermeister von Soest. „Zusätzlich konfrontieren Bund und Land die Städte und Gemeinden mit neuen Aufgaben wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztag, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen.“

Wüst sagte nach dem Gespräch, er habe großes Verständnis für die Sorgen. „Die Menschen erfahren staatliche Handlungsfähigkeit immer als erstes in der Kommune.“ Daher müssten die Kommunen in schwierigen Zeiten handlungsfähig bleiben. „Wir werden alles mobilisieren, was wir können und was wir dürfen, um den Kommunen in dieser schwierigen Zeit zu helfen.“ Aber auch der Bund sei gefordert, sagte Wüst.

Das Land NRW stelle bereits im großen Umfang zusätzliche Mittel für die Kommunen bereit und werde dies trotz der angespannten Haushaltslage weiter tun. Aktuell sei mehr als ein Drittel aller Ausgaben des Landes für die Kommunen bestimmt. Bei der Flüchtlingsfinanzierung gebe das Land aktuell mehr als das Doppelte der Summe an die Kommunen weiter, die NRW vom Bund erhalte.

Der Detmolder Bürgermeister Frank Hilker (SPD) kritisierte dagegen die Versorgung von Geflüchteten als „vom Land chronisch unterfinanziert“: „In Detmold kostete ein Geflüchteter die Stadt im vergangenen Jahr 13.800 Euro. Das Land finanziert diese Landesaufgabe nur mit 10.500 Euro - was je 1000 Geflüchteten jährlich eine Belastung von 3,3 Millionen Euro bedeutet“, sagte Hilker laut Mitteilung. „Das ist nur eines von vielen Beispielen für Löcher in der Stadtkasse.“

Nach einer aktuellen Umfrage des StGB gingen mindestens vier von zehn Kommunen davon aus, im kommenden Jahr in die Haushaltssicherung gehen zu müssen. „Die chronische Unterfinanzierung und die Vielzahl an Krisen nehmen uns die Luft zum Atmen“, sagte Ruthemeyer. „Wenn Bund und Land nicht endlich ein Einsehen haben und die Kommunen so ausstatten, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können, schlittern wir 2024 ungebremst in die Handlungsunfähigkeit.“

Die Bürgermeister appellierten an Wüst, ein Sofortprogramm zur Rettung der kommunalen Handlungsfähigkeit zu unterstützen. Dazu gehörten etwa eine den Aufgaben angemessene Finanzausstattung durch eine deutliche Erhöhung des Verbundsatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz sowie der Abbau von Bürokratiehemmnissen. Außerdem solle auf gesetzliche Regelungen verzichtet werden, die allein zulasten der Städte und Gemeinden gingen.

Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) verwies auf möglicherweise enger werdende finanzielle Spielräume. Auf Basis der Mai-Steuerschätzung habe das Land für die Gemeindefinanzierung zwar 15,34 Milliarden Euro vorgesehen. Die Schwierigkeit sei aber, dass auf allen Ebenen die Steuererträge unter Druck seien. „Wir werden im Oktober sehen, was wirklich für nächstes Jahr dabei rumkommt aus den Steuererträgen“, sagte sie vor Journalisten. „Es könnte auch weniger sein.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Jochen Ott, bewertete den Brandbrief der Kommunen als „das Ergebnis fortwährender Verantwortungslosigkeit von Hendrik Wüst“. Dieser müsse den Städten und Gemeinden die Hand reichen. „Sonst riskiert er eine kommunale Krise mit unabsehbaren Folgen für das Leben vor Ort“, sagte Ott.

© dpa-infocom, dpa:230921-99-274052/4

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