SZ-Kolumne "Alles Gute":Drei Tage Tschackatschacka

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(Foto: Steffen Mackert)

Filmklassiker wie "Fahrstuhl zum Schafott" oder "Citizen Kane" kannte man schon vor Corona. Nun kommt endlich auch "High School Musical" hinzu. Der lieben Familie sei Dank.

Von Martin Zips

Man würde ja jetzt gerne darüber schwadronieren, wie herrlich es ist, in Zeiten häuslicher Gemeinschaft alte Filme rauszuholen. Endlich gemeinsam mit den Kindern "Citizen Kane" oder "Pappa ante portas" schauen. Wie sich ihnen dadurch ganz neue Welten auftun, jenseits ihrer Prediger Rezo und Sarah Harrison auf Youtube. Wie die Kinder begeistert "Fahrstuhl zum Schafott" von Louis Malle entdecken (und den Soundtrack von Miles Davis gleich dazu). Wie ihnen die vollkommen unaufgeregten Dialoge in den Filmen von Éric Rohmer ganz neue Welten erschließen. Wie Terrence Malicks weite Landschaften ihr Leben radikal verändern. Aber so ist es nicht.

Nicht, dass das gute alte Tor zur Welt im Wohnzimmer nicht genutzt würde. Die DVD-Bibliothek: reich bestückt. Die Arte-Mediathek: unschlagbar im Angebot. Netflix: abonniert. Abend für Abend wird also geglotzt, doch keine Spur von Truffaut, Visconti oder Bergman. Zu langweilig, zu verwackelt, zu alt. Viel interessanter findet der Nachwuchs: "Avengers" oder "Kingsman".

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Also krallt sich die Brut mal wieder die Fernbedienung und entscheidet sich heute für den (vom wem auch immer abonnierten) Disney-Channel. Gut, warum nicht, denkt sich der Erziehungsberechtigte. Auch ein gemeinsamer Familienabend mit "Schneewittchen" oder "Cinderella" kann herrlich sein. Doch die Wahl nach Mehrheitsrecht fällt diesmal auf: "High School Musical". Noch nie gehört.

Instagramtaugliche Darsteller, reduzierte Dialoge

Also bemüht man sich redlich, den Leiden, die der junge Troy mit seiner Gabriella hat, zu folgen. Die Darsteller: absolut instagramfähig. Ihre Dialoge: extrem reduziert. Die Tanznummern: nicht ganz auf dem Niveau von Ginger Rogers und Fred Astaire. "I'm singing in the rain" mit Gene Kelly, verdammt, das wär's jetzt. Aber so hüpfen eben die smarten Alleskönner aus Utah wieder durch die Basketball-Halle. Die Kinder vor dem Bildschirm: unfassbar glücklich. Während einer Popcorn-Pause berichten sie, dass die Hauptdarsteller Zac Efron und Vanessa Hudgens auch im wahren Leben mal ein Paar waren. Bevor die Nacktfotos, die sie für ihn gemacht hatte, im Internet erschienen. Auf "High School Musical 1" folgen "High School Musical 2" und "High School Musical 3". Drei Tage Tschackatschacka im Corona-Wohnzimmer. Bei "Wer wird Millionär?" hätte man jetzt auf wirklich jede Zac-Efron-Frage eine Antwort.

Dann, endlich, liegt "A Rainy Day in New York" im Briefkasten. Als Blue-Ray in absolut zeitgemäßer Hochauflösung. Was für ein wunderbarer Woody-Allen-Film. Und Selena Gomez und Timothée Chalamet in den Hauptrollen! Das ist der kleinste gemeinsame Nenner in pandemischen Zeiten.

In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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