Noch liegen keine genaue Zahlen vor, aber man muss wohl davon ausgehen, dass an diesem Valentinstag in den USA nicht nur sehr viele Ringe und Halskettchen überreicht wurden, sondern auch etliche Handschellen und Knebel. Und Peitschen. Und Dinge, von denen Leute, die "Fifty Shades of Grey" nicht gelesen haben, nicht mal ahnen, wofür sie gut sein mögen.
Die Verfilmung von E. L. James' Sadomaso-Schmöker kam hier pünktlich zum Nationalfeiertag der romantischen Geschenk-Industrie in die Kinos und wird von einer derartigen Welle dazu passender Produkte begleitet wie vor ihm höchstens der Film "Toy Story". Das hier ist jetzt sozusagen "Toy Story" für die etwas älteren Kinder.
Interesse der Amerikaner an Sexspielzeug steigt
Die dafür zuständige Industrie wollte sich offenkundig nicht noch einmal so vom Ansturm überraschen lassen wie 2012, als sich das Buch zum Millionen-Bestseller entwickelte und eine bestimmte Art von Massagekugeln für den Genitalbereich knapp wurde. Die Firma California Exotic Novelties, die nach Angaben der New York Times vorher nie mehr als 90 000 Stück davon im Jahr abgesetzt hatte, habe in den sechs Monaten nach Erscheinen des Buches mehr als eine Million verkauft.
SM-Utensilien im Haushalt:"Für Klapse auf den Hintern eignet sich auch ein Rührlöffel"
Britische Baumärkte bereiten sich schon auf delikate Kundenanfragen zu SM-Utensilien vor, weil "Fifty Shades of Grey" in die Kinos kommt. Sexualberaterin Silke Maschinger erklärt, wie man den Film für die eigene Partnerschaft nutzen kann.
Und wie die Washington Times nach einem Blick auf die Statistiken der Consumer Product Safety Commission mitteilte, haben sich auch die Verletzungen, bei denen solches Sexspielzeug eine Rolle spielte, seit 2007 in Amerika glatt verdoppelt - mit einem besonders signifikanten Anstieg nach Erscheinen von "Fifty Shades of Grey".
In vielen US-Gemeinden sind Sex-Requisiten wie Peitschen verboten
Wenn man damals, so im Frühjahr/Sommer 2012, in den USA ein Flugzeug bestieg, konnte es passieren, dass so gut wie alle Frauen an Bord, "Fifty Shades of Grey" lasen, selbst solche, in deren Händen man eher ein Gebetbuch oder ein Strickmusterheft oder die "Garden and Gun" vermutet hätte, das Fachmagazin für Gastlichkeit auf Südstaatenart. Die Männer saßen dazwischen und versuchten, keine roten Ohren zu kriegen.
Das war auch deswegen merkwürdig, weil bei Filmen, die man in Flugzeugen schauen kann, jede Brustwarze sorgfältig vorher herausgeschnitten wird. Weil über das Wort "Fuck" überall ein Piepton geblendet wird, und selbst Kleinstkinder am Strand Badehose tragen müssen, wenn die Eltern nicht Ärger mit der Polizei bekommen wollen.
Merkwürdig war das schließlich auch deswegen, weil es in dem Land, über das alle diese Leserinnen von "Shades of Grey" da flogen, Landkreise und Gemeinden gibt, in denen der Verkauf jener Art von Spielzeugen, die in dem Buch eine Rolle spielen, verboten ist. Manchmal sogar auch deren Besitz.
"Fifty Shades of Grey" im Kino:Was ihr blüht
Er ist "nun mal so", weil er selbst misshandelt wurde. Und sie hat ein Daddy-Problem. Die Verfilmung des Erotik-Weltbestsellers "Fifty Shades of Grey" ist nicht nur psychologisch lahm - statt Sadomaso gibt es Blümchensex.
Das Zusammenspiel von Übersexualisierung und Prüderie hat in Amerika Tradition
Diese Dialektik von Übersexualisierung und Prüderie gehört so genuin zur amerikanischen Kultur wie das keusche Puschelschwingen der Cheerleader. Der extreme Erfolg von "Fifty Shades of Grey" gerade in diesem Land ist gewissermaßen die Hardcore-Variante davon. Man kann nur vermuten, dass das eine das andere bedingt und herausfordert.
Es führt aber auch zu immer neuen Überraschungen. Denn die Buchreihe mag wie nun auch der Film das Interesse an den verruchten Spielzeugen aus den schmuddligen, kleinen Läden mit den Videokabinen in ungekannte Höhen katapultiert haben; das Problem ist, dass es in amerikanischen Städten inzwischen meist an den schmuddligen, kleinen Läden mit den Videokabinen mangelt.
Sexspielzeug im Supermarkt
Deshalb werden die Gleitgels, Handschellen und Peitschen im "Fifty Shades of Grey"-Design jetzt kurzerhand ins Sortiment von Discountern wie Target gestapelt, zwischen Schreibwaren, Sportwäsche, Katzenfutter und Windeln. Neben Puppen im Design von Disney's "Frozen" für die Kinder gib es nun eben auch einen vibrierenden "Love Ring" für den Herren.
Eltern, die sich daran stören, finden in dieser Ecke immerhin auch alles, was man braucht, um jemandem die Augen zu verbinden. Der Einzelhandel hat dafür gesorgt, dass man seinem Partner zum Valentinstag mit einem "Fifty Shades of Grey"-Tuch die Augen verbinden kann - und ihn dann ins Kino setzen.
Sadismus? Wenn man die amerikanischen Filmkritiken mal zusammenfasst, dann höchstens eine softe Form, eigentlich eher: Liebe.