Amtsgericht Mönchengladbach:Urteil nach vorgeworfener Vergewaltigung im Gladbach-Fanzug

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Verurteilt, weil er nach Auffassung des Amtgerichts Mönchengladbach in einem Zug voller Fußballfans eine Frau vergewaltigt haben soll: Der Beschuldigte vor dem Amtsgericht Mönchengladbach. (Foto: Marius Becker/dpa)

Eine Frau, die mitten unter Fußballfans vergewaltigt worden sein soll; dieser Vorwurf löste vergangenen April Entsetzen aus. Jetzt ist der Beschuldigte verurteilt worden.

Von Jana Stegemann, Mönchengladbach

Ja, die junge Frau sei sicher "keine Traumzeugin" gewesen, sagt Richterin Uta Cramer in ihrer Urteilsverkündung*. Und ja, die 20-jährige Studentin habe in ihrer nicht-öffentlichen Befragung vor dem Amtsgericht Mönchengladbach ausgesagt, dass sie den 31-jährigen Beschuldigten im Samba-Abteil des Borussia-Mönchengladbach-Fanzugs in angetrunkenem Zustand "angeflirtet, freiwillig geküsst und auf die Zugtoilette begleitet" habe. Und ja, die Zeugin und Nebenklägerin habe sich "gar keine Gedanken gemacht", was dort passieren könnte.

Aber nein, auf der engen Toilette habe es im April 2018 keinen einvernehmlichen Sex gegeben, wie der Beschuldigte zuvor über seinen Anwalt hatte erklären lassen. Die Zeugin habe "Nein" zum Beschuldigten gesagt, er aber habe sie daraufhin vergewaltigt.

Das Amtsgericht glaubte der jungen Frau und verurteilte den Beschuldigten erstinstanzlich nach zwei Prozesstagen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Vergewaltigung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung an einem mitreisenden Fan. Sein Verteidiger ließ nach der Urteilsverkündung zunächst offen, ob er in Berufung geht.

Eigentlich hätte er schon früher ins Gefängnis gemusst

Es ist nicht die erste Verurteilung des Beschuldigten. Wenige Tage nach dem ihm zur Last gelegten Geschehen musste er eine dreijährige Haftstrafe wegen einer Vergewaltigung, einer Körperverletzung und dem Zeigen des Hitlergrußes antreten.

Eigentlich hätte er schon früher ins Gefängnis gemusst, aber durch eine "verzögerte Vollstreckung" der Freiheitsstrafe sei er zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Vergewaltigung im Fanzug noch auf freiem Fuß gewesen, bei der Bearbeitung der Akte durch das Amtsgericht Mönchengladbach seien "falsche Prioritäten gesetzt worden", ließ die Behörde damals mitteilen.

Seit mehr als zehn Jahren muss sich der Beschuldigte immer wieder vor Gericht verantworten, zumeist wegen Taten, die er im Umfeld von Fußballspielen seines Vereins Borussia Mönchengladbach begangen hatte. Er wird nach Aussage der Staatsanwaltschaft vom Innenministerium als "Intensivtäter Gewalt und Sport" geführt, auf Auswärtsspielen konsumiere er regelmäßig große Mengen Alkohol.

"Diese Situationen entstehen, wenn ich trinke, ich suche mir das ja freiwillig nicht aus", ließ der Beschuldigte über seinen Anwalt Ingo Herbort mitteilen, der in der Verhandlung durch ungewöhnlich flapsige Aussagen zum Tatgeschehen auffiel und häufiger nach einem "auffälligen Victoria's Secret-BH" fragte, den "die Zeugin dem Beschuldigten extra gezeigt" habe.

"Sie war komplett verheult"

Zwei Zeugen beschrieben die Situation zwischen dem 31-Jährigen und der damals 19-Jährigen im Partyabteil als "fröhlich, glücklich und flirty". Eine Zeugin beobachtete, dass die Frau ihn im Tanzwagen des Fanzugs "angebaggert" habe: "Sie hat ihn oft berührt, angehimmelt." Der Beschuldigte ließ über seinen Anwalt erklären, dass die junge Frau in der Toilette zu ihm gesagt hätte, "dies müsse unter uns bleiben, er dürfte es bloß keinem erzählen". Er habe jedoch geantwortet, dass habe "doch eh jeder mitbekommen und daher würde er erzählen, "was sie für eine sei", sie brauche sich bei Borussia daher "nicht mehr blicken lassen".

Der Frage, was die heute 20-jährige Frau für EINE gewesen sei, ging auch die Richterin intensiv und teilweise sehr umgangssprachlich während der Verhandlung nach. So fragte sie die Mutter der Frau, ob "ihre Tochter eher jemand sei, der bei Männerbekanntschaften das Ruder in die Hand nimmt" und mehrere Zeugen, ob die Nebenklägerin "besoffen" und "auf der Suche nach einem Abenteuer" gewesen sei. Wichtig für die Beweisaufnahme schien der Richterin auch zu sein, "wie sie getanzt hatte und was der Eindruck in Bezug auf Männer war".

Ein 19-jähriger Fußballfan, der sich nach dem dem Angeklagten zur Last gelegten Geschehen um die junge Frau gekümmert hatte, sagte als Zeuge vor Gericht: "Sie war komplett verheult. Ihr ganzer Körper war am Zittern. Sie konnte nicht mehr aufrecht gehen." Ein 21-jähriger Polizeischüler, der privat im Fanzug feierte und die Frau vor der Tat kennengelernt hatte, sagte im Zeugenstand: "Sie hat geweint und gezittert. Sie wirkte nur geschockt." Dann habe sie gesagt: "Ich bin ja selber schuld, ich habe ihn angesprochen."

Das angeklagte Geschehen ereignete sich in dem 432 Meter langen Fanzug, mit dem die Fohlen-Fans nach einer 1:5 Niederlage des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach beim FC Bayern München zurück nach Nordrhein-Westfalen fuhren. Danach hatte die damals 19-Jährige nachts ihre Eltern angerufen, die sofort die Polizei informierten. Im hessischen Flörsheim wurde der Zug gestoppt, die Frau von Polizisten rausbegleitet. Von allen mitfahrenden Männern zwischen 18 und 50 Jahren wurden bei den weiteren Haltepunkten Fotos gemacht, so konnte der Beschuldigte schließlich später identifiziert werden.

*Anmerkung der Redaktion: Auf die Berufung des Beschuldigten hat das Landgericht Mönchengladbach den Beschuldigten mit Urteil vom 29. Mai 2020 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen und nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Wie der Gerichtssprecher mitteilte sei nach Auffassung der Strafkammer in zweiter Instanz für den Beschuldigten nicht ersichtlich gewesen, dass die Frau keinen Geschlechtsverkehr mit ihm wollte. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

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