Fall Anneli:Fall Anneli: Zwei ungleiche Mörder

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Urteilsverkündung in Dresden. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Die beiden Angeklagten wurden vom Landgericht Dresden des Mordes schuldig gesprochen.
  • Sie müssen beide ins Gefängnis: Markus Beisser erhält eine Lebenenslange Haftstrafe mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
  • Der Mittäter Norbert Klein muss für achteinhalb Jahre ins Gefängnis. Weil er bei der Aufklärung der Tat half, bekommt er mildernde Umstände.

Von Hans Holzhaider, Dresden

Ein langer, quälender Prozess ist zu Ende gegangen. Quälend vor allem für die Angehörigen des Mädchens, das einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer fiel: Anneli-Marie Riße. Sie war 17, als sie von zwei Männern entführt und nur einen Tag später getötet wurde.

Ihre Eltern, Uwe und Ramona Riße, haben an 14 Verhandlungstagen vor dem Landgericht Dresden den beiden Tätern Markus Beisser und Norbert Klein gegenübergesessen, immer noch in der verzweifelten Hoffnung, sie würden etwas Genaues über das Schicksal ihres Kindes an seinem letzten Lebenstag erfahren, und immer scheiterte ihre Hoffnung am beharrlichen Schweigen der beiden Täter.

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Unterschiedliches Strafmaß für die beiden Täter

Am Montag nun hat die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand das Urteil verkündet. Beide Angeklagte sind schuldig des Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge, aber das Strafmaß unterscheidet sich dramatisch: Während Norbert Klein nur für achteinhalb Jahre ins Gefängnis muss, wurde Markus Beisser zur höchstmöglichen Strafe verurteilt: Lebenslange Haft mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. "Für uns wäre es nicht hinnehmbar, wenn Sie nach 15 Jahren aus der Haft entlassen würden", sagte Richterin Wiegand. Warum aber so unterschiedliche Strafen für zwei Täter, die beide für den Tod der 17-jährigen Anneli verantwortlich sind?

Das liege, sagte Wiegand, zum einen an der ganz unterschiedlichen Rolle, die Beisser und Klein bei der Durchführung des Verbrechens spielten, zum anderen auch an der Persönlichkeit der Täter, die verschiedener kaum sein könnte.

Beisser, daran hatte das Gericht keinerlei Zweifel, war der aktive Part in diesem Gespann. Er fasste den Plan zur Entführung, er spähte das Opfer aus, er besorgte die Tatmittel. Er zerrte das Mädchen am 13. August 2015 vom Fahrrad, fesselte es und brachte es ins Auto. Er führte die Erpresseranrufe mit dem Vater. Er fasste den Entschluss, Anneli zu töten. Und er setzte diesen Entschluss in die Tat um: zog ihr eine Plastiktüte über den Kopf, schlang einen Spanngurt um ihren Hals und erdrosselte sie mit Kabelbindern. "Alles aktive Tun wurde von Beisser durchgeführt", sagte die Richterin.

Mittäter hatte Interesse an Annelis Tod

Und Norbert Klein? Der legte zwar nicht selbst Hand an, aber er wusste beizeiten von Beissers Absicht, Anneli zu töten, und er hatte nach Überzeugung des Gerichts auch ein eigenes Interesse an ihrem Tod. Er hatte schließlich seinen Kumpan Beisser darauf hingewiesen, dass Anneli sie, wenn sie überlebte, jederzeit identifizieren könne.

Keiner der Täter war während der Entführung und der Gefangenhaltung Annelis maskiert; der Versuch, Anneli mit Äther zu betäuben, war missglückt. "Er wollte selbst ihren Tod", sagte die Richterin. Andernfalls hätte er viele Möglichkeiten gehabt, den Mord zu verhindern. Er war zeitweise allein mit Anneli in der Scheune, in der sie auf einen Stuhl gefesselt war, er hätte sie ohne Weiteres befreien können.

Er hätte Beisser in den Arm fallen können, als dieser die Schlinge zuzog, wahrscheinlich, sagte Richterin Wiegand, hätte auch schon ein nachdrückliches verbales Eingreifen den Mord verhindert. Beisser war ja auf Kleins Hilfe angewiesen, und Klein hatte sich als willfähriger Helfer erwiesen, nicht zuletzt bei der Beseitigung der Leiche. Gemeinsam hatten Beisser und Klein die tote Anneli über eine Mauer bugsiert und sie in einer Mulde notdürftig mit Sand bedeckt.

Strafmilderung durch Hilfe bei der Aufklärung

Strafrechtlich wertete das Gericht die Tat Kleins als Mord durch Unterlassen. Dafür sieht das Gesetz Milderungsmöglichkeiten vor; der Strafrahmen verschiebt sich von der eigentlich für Mord vorgesehenen lebenslangen Freiheitsstrafe auf eine Höchststrafe von 15 Jahren. Die aber kam letztendlich nicht infrage, weil, so die Richterin, Klein sich durch seine Mithilfe bei der Aufklärung des Verbrechens eine weitere Strafmilderung verdient habe. "Was wüssten wir von der Tat, wenn Klein nichts gesagt hätte?", fragte Wiegand.

Opfer eines schrecklichen Verbrechens: Anneli-Marie Riße war 17 Jahre alt, als sie von zwei Männern entführt und einen Tag später getötet wurde. (Foto: dpa)

Klein hatte, nach anfänglichem Leugnen, ein umfassendes Geständnis abgelegt und auch den Ablageort der Leiche beschrieben. Dass er allerdings später im Gespräch mit dem psychiatrischen Sachverständigen versucht hatte, seinen eigenen Tatbeitrag kleinzureden und so zu tun, als habe er von der Tötung Annelis gar nichts mitbekommen, wertete das Gericht als geradezu grotesk unglaubwürdig. Mildernd sei bei Klein aber auch zu berücksichtigen, sagte Wiegand, dass er sich in den 62 Jahren seines Lebens noch nie auch nur das Geringste zuschulden kommen ließ.

Für Markus Beisser fand das Gericht dagegen keinerlei mildernde Umstände. "Ein Leben, das seit seiner Jugend komplett auf Lügen aufgebaut war", so beschrieb es die Richterin. Seine angebliche Ausbildung als Koch, seine Erzählungen über eine riesige Erbschaft, die in Aussicht stünde, seine zahlreichen Vorstrafen, alle wegen kleinerer und größerer Betrügereien - "da steht nichts auf der positiven Seite der Bilanz".

Besonders schwer wiege das unermessliche Leid, das er nicht nur Annelis, sondern auch seiner eigenen Familie zugefügt habe. Markus Beisser war bis vor Kurzem verheiratet und hat zwei kleine Söhne. "Wie wollen Sie das, was Sie getan haben, jemals Ihren Kindern erklären?", fragte die Richterin. Die beiden Angeklagten schwiegen. Sie nahmen das Urteil reglos entgegen.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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