Explosionen in Boston:Lauf des Schreckens

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Die Teilnehmer am Boston-Marathon können ihr Entsetzen kaum in Worte fassen: Explosionen erschüttern die Neuengland-Metropole. (Foto: AFP)

27.000 Menschen treten beim Boston-Marathon an, es ist ein friedliches Sportfest - bis zwei Bomben explodieren. Die Teilnehmer, die mit dem Leben davonkommen, können ihr Entsetzen nur schwer in Worte fassen.

Ein Feature von Christian Wernicke, Washington

Viel ist nicht bekannt von Tom Hay. Er ist einer von mehr als 27.000 Teilnehmern des Boston Marathon - und obendrein einer, der an diesem Montagnachmittag diese Königsstrecke für Langläufer erfolgreich hinter sich gebracht hatte. In weniger als vier Stunden, immerhin. Tom Hay stand stolz hinter dem Zielraum und plauderte mit Freunden, als er plötzlich "dieses laute Boom" hörte: "Ich sah eine Rauchwolke, alle schrien, rannten weg", erzählt er zwei Stunden später dem Nachrichtensender CNN.

Nur er selbst vermochte sich nach mehr als 42 Kilometern Rennen auf hartem Stadtasphalt kaum von der Stelle zu rühren. Wie gelähmt stand er da, mitten im Chaos: "Ehrlich gesagt, ich konnte nicht weg, meine Beine machten nicht mit." Tom Hay hat Glück gehabt. Er ist, abgesehen von seinen steinharten Waden, kerngesund. Hay hat nichts abbekommen von der Druckwelle und all den Flammen der Doppel-Explosion, die am Montagnachmittag unmittelbar an der Ziellinie mehr als hundert Menschen verletzte - und mindestens drei Zuschauer in den Tod riss. Wenige Stunden nach dem mutmaßlichen Anschlag wartet die Polizei mit zum Teil widersprüchlichen Details auf: Einmal ist von zwei, dann wieder von drei Sprengkörpern die Rede. Niemand weiß, wer hinter dem offenbaren Attentat steckt; vor dem Rennen, so heißt es aus Polizeikreisen, habe es "keine glaubwürdigen Drohungen" gegeben. Amerika macht sich wieder auf die Suche, nach einem neuen, noch unbekannten Feind.

Als die Sprengsätze detonierten, saß Sabrina Mockenhaupt in ihrem Hotelzimmer und atmete schwer. Ihr erster Marathon in den USA wird Deutschlands bester Langstreckenläuferin für immer in schrecklicher Erinnerung bleiben. Drei Stunden nachdem Mockenhaupt als Zehnte die Ziellinie des Boston Marathons überquert hatte, explodierten am Streckenrand die Sprengsätze. "Ich bin nach dem Rennen in mein Hotelzimmer unter die Dusche gegangen. Als ich wieder zurück in die Hotellobby kam, war plötzlich alles anders", zitiert die WAZ die Sportlerin. Sie habe "sehr viele Verletzte, Polizei und Helfer" gesehen, das Hotel durfte vorerst niemand verlassen.

Für langsamere Läufer als Mockenhaupt war der Lauf Meilen vor dem Ziel zu Ende. Die Polizei stoppte Tausende Läufer auf dem Weg zur ersehnten Boylston Street, dem Ort des Anschlags. Alle waren enttäuscht, andere befiel die Angst. "Als ich hörte, was passiert war, war ich erschüttert - mein Verlobter wartete auf mich am Ziel", erzählt Paige Scofiled dem Boston Globe. Später stellt sich heraus, dass der Mann sich während des Anschlags noch in der U-Bahn befand. Keine Gefahr.

Ein Sportreporter des Boston Globe hatte eine der beiden Explosionen zufällig per Kamera aufgezeichnet. Auf seinem Video ist zu erkennen, wie rote Flammen aus dem Erdgeschoss eines Gebäudes schießen und die Zuschauermenge von hinten überwältigen. Kurz darauf sind Schreie von Verletzten zu hören. Andere Bilder zeigen, wie Läufer verletzt über die Ziellinie humpeln, wenig später schieben Helfer erste Verletzte in Rollstühlen zu einem Notposten des Roten Kreuzes.

Tom Hay, der Mann im Ziel, ist fertig mit den Nerven. CNN fragt ihn, ob er trotz allem nächstes Jahr wieder in Boston laufen wolle. Hay stottert, weiß sich keinen Rat: "Es ist einfach verrückt, daran jetzt zu denken."

Im Zuge der Berichterstattung über den Anschlag in Boston verzichtet Süddeutsche.de bewusst auf die Veröffentlichung von Fotostrecken und Videos mit blutigen Bildern der Opfer. Uns ist bewusst, dass andere News-Seiten, auf die wir - nach sorgfältiger Prüfung - in unseren Texten verlinken, derartige Fotos möglicherweise zeigen. Wir glauben jedoch, dass in diesen Fällen der Informationsgehalt der verlinkten Artikel so hoch ist, dass Verweise dennoch gerechtfertigt sind.

© SZ vom 16.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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