Gewalt bei Eritrea-Festival:Alle verletzten Polizisten wieder aus Krankenhaus entlassen

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Gegner des Festivals attackierten am Samstag Beamte mit Stein- und Flaschenwürfen und zündeten Rauchbomben. Gießen hatte die Veranstaltung nicht verbieten können. (Foto: Helmut Fricke/dpa)

Beim umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen fliegen Flaschen und Steine. Polizisten werden verletzt, 200 Menschen festgenommen. Hessens Innenminister ruft die Bundesregierung zum Handeln auf.

Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen - zu Beginn des umstrittenen Eritrea-Festivals kam am Samstag in Gießen zu Ausschreitungen. 28 Polizisten wurden nach Polizeiangaben verletzt. "Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinwürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben", sagte ein Polizeisprecher. Ein Teil von ihnen habe seinen Dienst aber fortsetzen können. Bereits am Sonntag waren alle zur Behandlung im Krankenhaus eingelieferten Beamten wieder entlassen, sagte ein Polizeisprecher. Nach bisherigen Erkenntnissen seien keine Unbeteiligten verletzt worden. "Der Rettungsleitstelle sind in diesem Zusammenhang auch keine Personen, die sich an den Gewalttaten beteiligten oder die Veranstaltung besuchten, mit schwereren Verletzungen bekannt." Insgesamt seien 100 Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch eingeleitet worden.

Am Sonntag ist das Festival trotz der Ausschreitungen einen Tag zuvor fortgesetzt worden. Wie in der Nacht blieb es auch am Vormittag ruhig. Die Polizei war mit zahlreichen Kräften im Einsatz. Man sei "auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagte ein Sprecher. Die Kontrollen im Stadtgebiet seien fortgesetzt worden, es habe keine nennenswerten Verstöße gegeben.

Die Polizisten hätten am Samstag mehr als 400 Personen kontrolliert und gegen einen großen Teil von ihnen Platzverweise verhängt. Etwa 100 Personen seien in Gewahrsam genommen worden, die zum Teil aus dem europäischen Ausland angereist seien. Es bestehe der Verdacht auf Körperverletzungsdelikte, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung. Mehr als 1000 Polizisten seien am Ort gewesen, Hunderte weitere aus ganz Hessen herbeigerufen worden.

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Die Stimmung war auch in den sozialen Netzwerken teils aufgeheizt. Die Polizei warnte vor Falschmeldungen. Ein Polizeisprecher sagte, dass ein Teil der im Internet kursierenden Videos, die Ausschreitungen zeigten, mutmaßlich aus dem Vorjahr stammten.

Landesinnenminister Peter Beuth (CDU) rief die Bundesregierung auf, den Botschafter Eritreas einzubestellen. "Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen", sagte Beuth in Wiesbaden. "Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) twitterte: "Die massive Gewalt und Randale gegen Polizeibeamte in Gießen verurteile ich scharf. Danke an alle Einsatzkräfte! Meine Gedanken sind bei den verletzten Beamten."

Eritrea mit seinen etwa drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangen Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki das Land in einer Ein-Parteien-Diktatur. Andere Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit ist stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.

Stadt Gießen wollte Festival verbieten

Das Eritrea-Festival ist umstritten, weil der Veranstalter, der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, als regierungsnah gilt. Die Polizei hatte sich seit Tagen auf eine Großlage und die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner eingestellt, nachdem es bereits bei einer Vorgänger-Veranstaltung im August Ausschreitungen gegeben hatte. Die Stadt Gießen untersagte das Eritrea-Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken. Dies wurde jedoch vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese erstinstanzliche Entscheidung.

Seit dem frühen Samstagmorgen waren nach Polizeiangaben unterschiedlich starke Personengruppen in Gießen durch Ausschreitungen an verschiedenen Orten aufgefallen. Ein Polizeisprecher berichtete, Menschen hätten Absperrzäune abgerissen und versucht, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. Eine Gruppe von vermutlich etwa 100 bis 150 Personen habe einen Zaun am Veranstaltungsort eingerissen. Beim Festival in den Hessenhallen waren nach Polizeiangaben etwa 2000 Teilnehmer.

An mehreren Orten in der Stadt habe es Auseinandersetzungen gegeben, von einer Brücke seien Gegenstände geworfen worden. Zwischenzeitlich riet die Polizei über Twitter dazu, das Stadtgebiet zu meiden und weiträumig zu umfahren. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage offenbar wieder. Eine Kundgebung mit etwa 100 Teilnehmern sei ohne weitere Zwischenfälle verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.

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