SZ-Kolumne "Bester Dinge":Wieso gibt es kein Nacktmull-Emoji?

Lesezeit: 1 min

(Foto: tigatelu via imago-images.de/IMAGO/Panthermedia)

Bandwürmer und Seegurken statt Einhörner und Elefanten: Wissenschaftler fordern größere Biodiversität bei Piktogrammen. Völlig zu Recht.

Von Titus Arnu

Katzen, Hunde, Affen, Schmetterlinge, Delfine: Die Auswahl an Tier-Emojis ist groß und bunt. Bedrohte Arten wie Wale oder Elefanten sind in der Symbol-Bibliothek von Mobiltelefonen häufiger anzutreffen als in der Natur. Aber was ist mit Blutegeln, Nacktmullen, Seegurken, Wasserpilzen und anderen Schlonztieren? Solche aus menschlicher Sicht eher unattraktiven Wesen haben im Gegensatz zu Pandas leider keine große Lobby.

Die italienischen Ökologen Stefano Mammola und Francesco Ficetola haben den Tierbestand in der Emoji-Welt untersucht. Trauriges Ergebnis: Um die Artenvielfalt steht es gar nicht gut. "Unsere Ergebnisse bestätigen eine typische Voreingenommenheit in der Biodiversitätsforschung und ein der menschlichen Psychologie innewohnendes Merkmal", analysiert Mammola, "wir haben in der Regel mehr Empathie für Lebensformen, die uns phylogenetisch näherstehen." Wirbeltiere mit Kulleraugen sind mit dem Menschen stammesgeschichtlich enger verbunden als Pilze und Schnecken. Pandas oder Küken erfüllen das Kindchenschema, Darmbakterien oder Bandwürmer eher nicht.

Die Wissenschaftler beklagen, dass der "Baum des Lebens" in der Welt der Emojis deshalb völlig verzerrt abgebildet werde. Es gebe mehr als 20 000 Arten von Plattwürmern, aber keine Möglichkeit, diese Weichkörper in den sozialen Medien abzubilden. Schlimm! Denn eine gerechtere Darstellung von Gliederfüßern, Pilzen, Mikroben und Mollusken könne das Interesse für solche Organismen wecken, hoffen die Wissenschaftler, und die digitale Biodiversität habe vielleicht auch positive Effekte auf den Schutz unbekannterer Arten.

Die gute Nachricht: Die Artenvielfalt der Emojis ist von 45 im Jahr 2015 auf 92 im Jahr 2022 gestiegen. Für den Nacktmull, den Bandwurm und die Seegurke müsste da auf jeden Fall auch noch Platz sein. Dafür könnte man das Einhorn und den Dinosaurier löschen, die existieren in freier Wildbahn gar nicht.

Weitere Folgen der Kolumne und mehr gute Nachrichten lesen Sie hier

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Kolumne "Bester Dinge"
:Gelb ist die Hoffnung

Vor 60 Jahren erfand Harvey Ball den Smiley - und bekam 45 Dollar dafür. Später machten andere damit viel Geld. Über das millionenschwere Geschäft mit dem gelben Grinser.

Von Martin Zips

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: