Drogenkartelle:Wer nach "El Chapo" kommt

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Drogenboss "El Chapo" sitzt mittlerweile im Gefängnis, jetzt übernimmt sein Sohn die Führung im Drogenkartell. (Foto: dpa)

In vielen lateinamerikanischen Ländern sitzen die Drogenkartell-Bosse mittlerweile hinter Gittern. Jetzt übernehmen ihre Kinder.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Seit ein paar Tagen sorgt ein Hemd in Mexiko für Furore. Es stammt aus der letztjährigen Kollektion einer lokalen Modemarke, damals kostete es umgerechnet zwölf Euro, nun aber bieten Besitzer des Hemdes es im Internet an, gebraucht, aber dennoch für das Vielfache des eigentlichen Verkaufspreises. Die Wertsteigerung hat vor allem mit einem Mann zu tun: Ovidio Guzmán, Sohn des Drogenbosses Joaquin "El Chapo" Guzmán Loera und höchstwahrscheinlich selbst in den Rauschgifthandel verstrickt.

Mitte Oktober wurde Ovidio Guzmán deswegen in der mexikanischen Stadt Culiacán festgenommen. Allerdings zogen seine Bandenmitglieder daraufhin bis an die Zähne bewaffnet durch die Straßen, steckten Autos an und errichteten Straßenblockaden. Am Ende starben mehr als ein Dutzend Menschen und die Polizei musste Guzmán wieder laufen lassen. Was blieb, ist ein politischer Skandal und ein Foto des Drogen-Zöglings, das ihn in jenem gepunkteten Hemd zeigte, das nun zum gefragten Modeaccessoire wird.

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Mit mehreren fiktiven und nicht fiktiven Fernsehserien und Büchern über sein luxuriöses und brutales Leben ist El Chapo heute längst vom reinen Drogenboss zu einer Art Reality-Star geworden, so wie es auch andere Drogenbosse schon vor ihm waren, allen voran der Kolumbianer Pablo Escobar. Längst stehen aber auch ihre Kinder im Rampenlicht. Allein Guzmán hat zehn offizielle Söhne und Töchter, dazu noch mindestens ebenso viele nicht anerkannte Nachkommen und solche, die es gerne wären. Ähnlich reproduktiv waren auch andere Bosse.

Anders als die meisten ihrer Väter wuchsen die Kartellkinder nicht in Armut auf dem Land auf, sondern inmitten von Luxus und Bodyguards, finanziert durch die Einnahmen aus dem lukrativen Handel mit Kokain, Marihuana, Waffen und auch Menschen. Sie mussten nicht in klapprigen Dorfschulen die Schulbank drücken, sondern besuchten oft private Bildungseinrichtungen, was sie aber meistens nicht davon abhielt, bereits im Teenageralter in den Rauschgiftschmuggel einzusteigen.

Ovidio Guzmán zum Beispiel wird von US-Behörden vorgeworfen, seit mindestens 2008 eine feste Rolle im Kokainschmuggel zu spielen. Guzmán war damals gerade erst 17 oder 18 Jahre alt. Zusammen mit mindestens drei seiner Brüder und Halbbrüder formt er eine Gruppierung innerhalb des Kartells, die sich "Los Chapitos", die kleinen Chapos, nennt und die seit der Verhaftung des Vaters um die Vorherrschaft im Kartell von Sinaloa kämpft.

Einer ihrer Widersacher war dabei Dámaso López Serrano, Patensohn von El Chapo und Sohn des Schatzmeisters des Kartells, Dámaso "El Licenciado" López. Auf Social-Media-Kanälen postete "Mini Lic" gerne Fotos von vergoldeten Schusswaffen, Raubkatzen, schnellen Autos, Schampus und vollbusigen jungen Frauen. Innerhalb des Kartells lieferte er sich einen erbitterten Machtkampf mit den Chapitos. Mittlerweile aber sitzen sowohl er als auch sein Vater in den USA in Haft und haben im Prozess gegen El Chapo ausgesagt.

Dass die Kinder der Bosse immer öfter die Geschäfte übernehmen, liegt zum einen daran, dass den Behörden in den vergangenen Jahren einige Fahndungserfolge gelungen sind. Die Bosse sitzen hinter Gittern, die nächste Generation rückt nach. Zum anderen aber sind viele Chefs heute im fortgeschrittenen Rentenalter. Für die Kartelle sind die Narco-Junioren symbolisch wichtig, weil sie Kontinuität sichern, gleichzeitig bringen sie neue Geschäftsstrategien mit in die weit verzweigten Unternehmen. So haben vor allem die weiblichen Nachkommen der Bosse oft die Uni besucht und Kurse in BWL oder Marketing belegt. Rauschgiftfahnder aus Mexiko und den USA glauben, dass sie das erlernte nun in den Kartellen anwenden.

Einige der Töchter stehen mittlerweile selbst auf der Fahndungsliste der US-Behörden, unter ihnen Jessica Johanna Oseguera González. Ihr Vater Nemesio "El Mencho" Oseguera ist Chef des Kartells Jalisco Nueva Generacion. Ermittler vermuten, dass Oseguera González über mehrere Unternehmen, darunter japanische Restaurants und eine Tequila-Marke, dabei hilft, Drogengeld zu waschen.

Doch nicht alle Kinder der Drogenbosse treten in die blutbefleckten Fußstapfen ihrer Eltern. Gisselle Guzmán, El Chapos Tochter aus dessen zweiter Ehe (mit María Alejandrina Salazar Hernández), versucht mit dem Modelabel "El Chapo 701" Profit aus dem Namen ihres Vaters zu schlagen. Die Marke bietet florale Blazer, klobige Schuhe, (leere) Geldbeutel und auch T-Shirts an. Nur eines fehlt in der Kollektion: ein gepunktetes Hemd wie jenes, das ihr Halbbruder gerade zum gefragten Fashion-Artikel gemacht hat.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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