Die ganze Zeit hatte er angespannt dagesessen, die Lippen zusammengepresst, und hatte gebangt. Und dann, als die letzten Worte der Rede seiner Frau verklungen waren, die auf der Bühne des Tory-Parteitages in Birmingham um ihr politisches Überleben gekämpft hatte, da hielt es den ansonsten so zurückhaltenden, blassen Mann nicht mehr auf seinem Stuhl: Er drängte an seiner Sitznachbarin vorbei hinaus in den Gang, stürmte auf die Bühne, umarmte seine Frau und klopfte ihr heftig auf den Rücken. Fast hätte er sie vor aller Augen geküsst.
Seine Frau legte, für einen kurzen Moment nur, ihren abgewinkelten Arm lässig auf seine Schulter. Als würden die beiden nach einem harten Arbeitstag nebeneinanderstehen, mit einem Weinglas in der Hand, und einen kurzen Augenblick der Intimität genießen, bevor sie in ihre jeweiligen Zimmer in der gemeinsamen Wohnung verschwinden. Spötter sagen, so locker habe man Theresa May noch nie gesehen. Kein Wunder, sie hatte sich auf dem Parteitag mit einer guten Rede quasi selbst aus dem Sumpf des innerparteilichen Machtkampfes gezogen.
Irgendwer muss ja einkaufen gehen und den Müll rausbringen, sagt Philip May
Spötter sagen aber auch, so emotional habe man den first husband, den Ehemann der Premierministerin, noch nie gesehen. Auch Politiker und ihre Partner sind Menschen. Die Bundeskanzlerin und ihr Mann Joachim Sauer exerzieren seit vielen Jahren vor, was die britische Premierministerin und ihr Gatte ebenso versuchen: eine Partnerschaft ohne Allüren. Der 61-Jährige bleibt im Hintergrund, weil er im Hintergrund bleiben will; mit persönlichen Informationen wird die Öffentlichkeit nur sparsam gefüttert, und wenn, dann sind es Banalitäten. Merkel und May kochen gern, Sauer und May wandern gern. Beide sind offenbar sehr loyal. Beide Männer lieben karierte Hemden. Beide Paare haben keine Kinder.
Philip May, der in Oxford Geschichte studiert hat, danach ein Traineeprogramm als Banker durchlief und seit Jahren bei einem Finanzinvestor Kundenkontakte und den Service verantwortet, gilt als bescheidener, eher langweiliger Zeitgenosse. Er hat jetzt auf eine Viertagewoche reduziert, weil einer in der Ehe ja auch einkaufen und den Müll raustragen muss. "Und Theresa kommt nicht dazu." Ein Kollege hat ihn mal als einen Banker beschrieben, der mit gesenktem Kopf herumlaufe, aber gut mit Menschen könne. In seiner Art, sagen die Briten so erheitert wie desinteressiert, gleiche er dem Mann der eisernen Lady, Denis Thatcher. Der sei auch immer mit der Tapete verschmolzen. Maggie Thatcher war der Spott wohl egal; ihren Denis nannte sie einen "Fels in der Brandung". Genau das sagt auch Theresa May über ihren Mann, der seine politische Karriere (die beiden haben sich auf einer Studentenveranstaltung der Partei in Oxford kennengelernt) für sie an den Nagel gehängt hat.
Die BBC hat sich den Gatten der Regierungschefin genauer angeschaut, als sie ins Amt kam. Die Reporter erfuhren, er sei ihr engster Berater, widerspreche ihr auch ab und zu und sei politisch nach wie vor sehr engagiert. Mit 29 hat auch er mal eine Rede auf einem Tory-Parteitag gehalten. Im Ton eher trocken, setzte er sich damals für die EU ein: Man sei gemeinsam auf einem guten Weg, nun müsse zur ökonomischen Kooperation die politische hinzukommen. Tempi passati.
In einer früheren Version des Textes wurde ein Tweet zitiert, den wir dem Ehemann von Theresa May zugeordnet haben. Dabei handelte es sich jedoch um einen Satire-Account. Deshalb haben wir die Passage gelöscht.
