Geiselnahme:Dramatische Stunden in Dresden

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Spurensicherung beim Sender "Radio Dresden", der Täter hatte beim Versuch, in die Redaktion einzudringen, durch die Glastür eines Büros geschossen. (Foto: JENS SCHLUETER/AFP)

Ein Mann nimmt in einem gut besuchten Einkaufszentrum mitten im Vorweihnachtstrubel zwei Geiseln. Zuvor soll er seine Mutter getötet und einen Radiosender angegriffen haben. Nun ist der 40-Jährige tot.

Nach der Geiselnahme in Dresden hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Sonntag mit. Dabei müsse unter anderem geklärt werden, ob der Täter seine Waffe legal besitzen durfte oder wie er an diese gelangte. Auch die genauen Todesumstände des Geiselnehmers werden untersucht. Der Mann war am Samstag bei einem Zugriff von Spezialkräften der Polizei schwer verletzt worden und später gestorben. "Weitere Angaben seien derzeit nicht möglich", hieß es weiter, "die Aufarbeitung des Einsatzes und die Ermittlungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen."

Am Samstag hatte ein bewaffneter Mann die sächsische Hauptstadt mitten im Adventstrubel stundenlang in Angst und Schrecken versetzt - mit einer Geiselnahme in einem Einkaufszentrum, einem Tötungsdelikt und einem Angriff auf einen Radiosender. Beim Zugriff der Polizei konnte der 40 Jahre alte Deutsche am Samstagmittag im Einkaufszentrum Altmarkt-Galerie überwältigt werden. Die Polizei geht davon aus, dass er psychisch krank war. Der Mann soll am Morgen zunächst seine 62 Jahre alter Mutter umgebracht haben. Die Geiseln und die Mitarbeiter des Radiosenders blieben - zumindest äußerlich - unverletzt.

Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot aus

Der Fall gibt den Kriminalisten zahlreiche Rätsel auf. So ist das Motiv des Geiselnehmers bislang unklar. Die Polizei war zunächst von einem Amoklauf ausgegangen, weil sie Hinweise zu drei Tatorten bekam. Am Morgen soll der Mann im Dresdner Stadtteil Prohlis zunächst seine Mutter getötet haben. Die Polizei fand die Leiche der Frau gegen 7.20 Uhr. Danach versuchte der Täter, in der Innenstadt mit Waffengewalt beim Sender Radio Dresden einzudringen, und gab dabei Schüsse ab. Bei dieser Tat hatte er das neunjährige Kind einer Bekannten dabei. Wie es dazu kam - auch das war vorerst unklar. Später verschanzte er sich mit dem Kind und einer 38 Jahre alten Angestellten in einem Büro des Einkaufszentrums Altmarkt-Galerie. Die Läden hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet, allerdings konnten Besucher schon innerhalb der Galerie wandeln. Das Gebäude wurde umgehend evakuiert. Auch der angrenzende Striezelmarkt blieb zunächst geschlossen. Für öffentliche Verkehrsmittel wurde zeitweise die komplette Innenstadt gesperrt.

Innenminister spricht von vermutlich psychisch verwirrtem Einzeltäter

Laut Polizei wählte der Geiselnehmer von dem Büro aus den Notruf. Beamte konnten ständig mit ihm in Kontakt bleiben, hieß es. Die Polizeidirektion Dresden forderte daraufhin Spezialkräfte des Landeskriminalamtes Sachsen an. "Im weiteren Verlauf nahmen die Einsatzkräfte Schussgeräusche aus dem Büro wahr, und es erfolgte ein vorbereiteter Notzugriff. Dabei mussten die Beamten eine Tür gewaltsam öffnen", hieß es. Man habe von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Der 40-Jährige habe eine scharfe Pistole bei sich gehabt. Insgesamt seien rund 300 Beamte im Einsatz gewesen, teilte die Polizei mit.

Nicht nur für die beiden Geiseln in der Altmarkt-Galerie dürfte das Geschehen ein Martyrium gewesen sein. Auch Mitarbeiter von Radio Dresden waren am Morgen in Todesangst. Der Mann habe versucht, eine Tür zu zerstören, und durch ein Loch in der Tür geschossen, sagte Geschäftsführer Tino Utassy der Deutschen Presse-Agentur. "Die Mitarbeiter waren glücklicherweise so geistesgegenwärtig und sind durch einen zweiten Ausgang geflohen." Betroffen gewesen seien die Teams der Morningshows für Hitradio RTL und Radio Dresden. Der Täter habe am Samstagmorgen gegen 8.30 Uhr versucht, in die Studios einzudringen. Die Mitarbeiter sagten, "es geht ihnen gut, aber genau wissen wir es auch nicht. Wir werden natürlich alles machen, damit sie da die entsprechende Hilfe bekommen", sagte Utassy. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Innenminister Armin Schuster (beide CDU) bedankten sich bei den Einsatzkräften für ihr schnelles und besonnenes Handeln. Er sei entsetzt über die Tat eines vermutlich psychisch verwirrten Einzeltäters und erleichtert darüber, dass die Polizei die beiden Geiseln unverletzt befreien konnte, sagte Schuster.

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