Dortmund: Bombenfund am Stadion:Das perfekte Anschlagsziel

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Ein Mann droht mit einem Anschlag auf das Dortmunder Stadion, das BKA findet Sprengsätze. Ob der 25-Jährige tatsächlich ein Attentat plante, ist unklar. Was bleibt, ist eine kuriose Geschichte um vorgetäuschten Islamismus und eine handfeste Erpressung, die ihren Anfang in Pakistan nimmt.

Bernd Dörries und Marc Widmann

Die Fans nennen es Westfalenstadion, auch wenn das Dortmunder Fußballstadion seinen ursprünglichen Namen längst an einen Versicherungskonzern verkauft hat. Der Signal-Iduna-Park, so der Name der Arena, den kaum jemand benutzt, ist das größte Fußballstadion der Republik. Eine bessere Atmosphäre gebe es nirgends in Deutschland und vielleicht auch nicht in ganz Europa, das sagen Fußballfans.

Das BKA hat womöglich einen Anschlag auf das Dortmunder Fußballstadion vereitelt. Die Hintergründe der Tat liegen im Dunkeln. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Und womöglich gibt es auch kaum ein geeigneteres Anschlagsziel, wenn jemand wirklich vor hat, möglichst viele Menschen zu töten. Das Stadion ist in letzter Zeit immer ausverkauft, 80720Menschen drängen sich dann auf engstem Raum. Drei Sprengsätze haben Ermittler des Bundeskriminalamts in unmittelbarer Nähe des Dortmunder Stadions gefunden. Drei weitere lagerten in der Wohnung eines Verdächtigen in Krefeld.

Gewalt gab es im Fußball und dessen Umfeld in letzter Zeit eigentlich nur, wenn Hooligans aufeinander losgegangen sind. Die verprügeln sich mittlerweile rund um Spiele in den unteren Ligen, die Bundesliga ist in den vergangenen Jahren zu einer sicheren und fröhlichen Veranstaltung für Familien geworden. Es gab Feindschaften wie die zwischen den Fans von Schalke 04 und Borussia Dortmund, viel Folklore ist bei solchen Rivalitäten dabei, aber wenig Gewalt.

Der Bombenfund in Dortmund hat seinen Ursprung nicht bei den Rivalen in Gelsenkirchen, sondern im fernen Pakistan. Es ist eine seltsame Geschichte um vorgetäuschten Islamismus und handfeste Erpressung.

Im Februar 2011 ging bei der deutschen Botschaft in Pakistan eine E-Mail ein, in der ein anonymer Hinweisgeber davon berichtet, er habe Informationen, wonach in Deutschland zwei Terroranschläge geplant seien. Weil der Tippgeber mit Kenntnissen im Bombenbau prahlte, oder wie es das BKA formuliert, über "umfangreiche Kenntnisse beim Bau von sogenannten unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) zu verfügen schien", nahm das Bundeskriminalamt Ermittlungen auf.

Die führten aber nicht in den Bereich des Islamismus, sondern in das Feld der Wirtschaftskriminalität. Die Fahnder gewannen schnell den Eindruck, dass das Anschlagsszenario konstruiert sein könnte. Eine linguistische Analyse der Mail ergab Parallelen zu einem anderen Schriftverkehr. In einem bisher ungelösten Fall war 2010 ein Wirtschaftsunternehmen auf ähnliche Weise erpresst worden.

Mit den Hinweisen aus der E-Mail an die Botschaft kamen die Ermittler nun schneller voran. Am Dienstag wurde ein 25 Jahre alter Mann in einem Kölner Hotel festgenommen, kurz zuvor hatte er sich offenbar einem BKA-Ermittler offenbart und von einem möglichen Anschlag am Dortmunder Stadion erzählt.

Islamisten gab es aber offenbar keine. Der Täter wollte laut BKA-Präsident Jörg Ziercke die Behörden wohl erpressen. Der Mann habe mit den Sprengkörpern höchstwahrscheinlich den weiteren Forderungen Nachdruck verleihen wollen, sagte Ziercke am Abend in der ARD. "Er wollte ein gesichertes Leben danach, er wollte letztlich Geld von uns, und die Chance habe ich ihm natürlich nicht gegeben."

In ersten Vernehmungen räumte der Tatverdächtige ein, die islamistischen Anschlagspläne erfunden zu haben; gleichzeitig erzählte er der Polizei von den Bomben am Stadion und in seiner Wohnung. Dort stellten die Beamten auch "umfangreiche Chemikalien" sicher, dazu einen Laptop und Unterlagen, die belegen, dass der Verdächtige derjenige war, der schon 2010 ein Unternehmen erpresste.

Ob er nun in Dortmund wirklich einen Anschlag geplant hat oder nur damit drohen wollte, ist noch unbekannt. Wie gefährlich die Sprengsätze waren, wurde am Donnerstag noch untersucht. Für das Bundesinnenministerium ist jedenfalls klar: "Der Vorgang hat keinerlei Bezüge zu terroristischen oder islamistischen Organisationen." Es handele sich wohl um einen "Einzeltäter mit allgemeinkriminellen Motiven".

Am Samstag soll im Dortmunder Stadion wieder Fußball gespielt werden. Die Borussia empfängt Hannover 96. Eine Absage kommt für beide Mannschaften bisher nicht in Frage. "Das wäre das falsche Signal", sagt Hannovers Clubchef Martin Kind. Er werde ohne ein Gefühl der Angst ins Stadion gehen.

© SZ vom 01.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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