Diskriminierung wegen Hautfarbe:"Es sind schon genug Schwarze in der Disco"

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Der Türsteher einer baden-württembergischen Disco weist einen dunkelhäutigen Gast ab. Der wehrt sich und das Gericht stellt tatsächlich Diskriminierung fest - verhängt aber keine Strafe und urteilt damit gegen europäisches Recht. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nennt den Fall "ungeheuerlich und skandalös".

Roman Deininger

Auf der Webseite des Reutlinger M-Parks sind netterweise "ein paar Tipps" nachzulesen, wie der spätere Besuch der Großraumdisco "bereits an der Eingangstür zum Vergnügen wird". Sturzbetrunken solle man demnach nicht an jener Tür vorstellig werden; außerdem gelte es darauf zu achten, dass "Kleidung, Auftreten und Benehmen zu unserer aktuellen Gästestruktur passen". David G. sagt, an nichts davon habe es bei ihm gelegen. An einem Novemberabend im vergangenen Jahr habe einer der Türsteher ihm ganz anders erklärt, warum er zur aktuellen Gästestruktur so gar nicht passe: Es seien einfach "schon genug Schwarze drin".

90 Männer mit Migrationshintergrund haben sich seit der Gründung 2006 bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes über Diskriminierung in Diskotheken beschwert. "Wir glauben aber, dass die Dunkelziffer weit höher ist", sagt Behördenleiterin Christine Lüders. Denn wer macht schon eine große Sache daraus, wenn er öffentlich erniedrigt wird? Und wer geht deswegen dann auch noch vor Gericht?

"Ungeheuerlich und skandalös"

David G., der in Deutschland geborene Sohn einer Togoerin, tat genau das. Er sagte: "Ich möchte hören, wir haben recht, das soll nicht beschönigt werden." Vor dem Landgericht Tübingen forderte der 18-jährige Auszubildende 5000 Euro Entschädigung von den Betreibern des M-Parks. Im Juli fiel das Urteil. Ja, sagte der Richter, eine "Demütigung" habe "zweifellos" vorgelegen. Dem Kläger dürfe künftig nicht mehr wegen seiner Hautfarbe der Einlass verweigert werden. Allerdings könnten solche Schmähungen "jedem Menschen alltäglich widerfahren". Und deshalb, sagte der Richter: Nein, eine Grundlage für eine Entschädigungszahlung sehe er nicht.

Das Gericht hat also eine Diskriminierung festgestellt, sie aber nicht bestraft. "Das geht am europäischen Recht vorbei, das bei rassistischen Diskriminierungen ausdrücklich wirksame Sanktionen vorschreibt", sagt David G.s Anwalt Sebastian Busch. Christine Lüders nennt das Urteil "ungeheuerlich und skandalös".

Die Richter, sagt Lüders, "sollten einen offenkundig rassistischen Hintergrund nicht bagatellisieren". Wie könne man sonst "in der Gesellschaft ein Bewusstsein für das Problem schaffen" und dem alltäglichen Rassismus beikommen? Harte Sanktionen seien "das einzige richtige Signal in solchen Fällen". Die Entschädigungssummen müssten hoch sein, "um abschreckende Wirkung zu haben". Lüders sagt: "Nur so werden Betroffene auch wirklich ermutigt, selbst rechtlich gegen Diskriminierung vorzugehen."

Die juristische Basis dafür bietet seit 2006 das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hatte. Bei jeder Form der Benachteiligung - wegen Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter, Religion oder Behinderung - können Opfer nun Schmerzensgeld verlangen, wenn sie Indizien für ein Vergehen vorlegen können.

Diskothek weist Vorwürfe zurück

David G. will anderen Betroffenen aufzeigen, wie man sich wehren kann. Unlängst hat er in einem Reutlinger Kulturzentrum an einer Podiumsdiskussion zu Diskriminierung im Alltag teilgenommen. Gegen das Tübinger Urteil hat er Berufung eingelegt. Am Ende des ersten Verhandlungstages vor dem Oberlandesgericht Stuttgart lehnte er in der vergangenen Woche einen Vergleich ab, der ein Schmerzensgeld von 750 Euro vorgesehen hätte. An diesem Montag soll nun das Urteil verkündet werden.

Die Betreiber des M-Parks weisen die Vorwürfe weiter vehement zurück. Auf der Webseite der Disco beteuern sie, "dass unser Security-Personal nicht angehalten wird, eine willkürliche Selektion nach Herkunft oder Nationalität vorzunehmen". Jede Art der Diskriminierung lehne man ab - schließlich beschäftige man selbst "Mitarbeiter unterschiedlichster Nationen".

© SZ vom 12.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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