Interview am Morgen: Coronavirus:So sollte man mit Kindern über das Virus sprechen

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Die Kinder aufklären - aber gleichzeitig ihre Ängste ernst nehmen, wenn es um das Coronavirus geht: Das ist die Schwierigkeit, vor der Eltern nun stehen. (Foto: Christin Klose/dpa)

Kitas werden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt. Wie erklärt man die Auswirkungen des Coronavirus seinen Kindern, ohne Panik zu verbreiten? Ein Psychologe gibt Antworten.

Interview von Mareen Linnartz

Kitas werden geschlossen, Regale leer gekauft, Veranstaltungen abgesagt. Eltern achten plötzlich sehr darauf, dass Hände gründlich gewaschen werden: Kinder spüren sehr genau, dass in Zeiten von Corona vieles anders ist. Manche werden ängstlich, andere stellen nun vor allem viele Fragen. Wie soll man als Mutter und Vater damit umgehen? Wilfried Griebel, 68, der als langjähriger Mitarbeiter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München vor allem über Resilienz bei Kindern geforscht hat, erklärt, wie man Kinder ernst nimmt, ohne sie unnötig zu alarmieren.

Herr Griebel, wie spricht man mit Kindern über das Coronavirus?

Indem man ihre Ängste ernst nimmt, ohne Panik zu verbreiten. Als Mutter oder Vater, oder auch als Erzieher oder Erzieherin sollte man sich deswegen als Erstes fragen: Wie gehe ich eigentlich selbst mit meinen Ängsten um? Ich bin der Sender, es hängt von mir ab, wie eine Information beim anderen, also beim Kind ankommt.

Je ängstlicher ich selbst bin, desto ängstlicher auch mein Kind?

Angst ist ansteckend, ja. Sie überträgt sich auf Kinder.

Ich soll also meine eigenen Befürchtungen am besten nicht zeigen?

Gegen erwachsene wie auch kindliche Ängste hilft: Sich informieren. Es ist ja objektiv so, dass wir nicht alle an dem Virus sterben werden. Wenn mich also meine Tochter oder mein Sohn fragt: "Was ist eigentlich dieses Corona, über das die Erwachsenen sprechen und von dem in den Nachrichten immer die Rede ist?" Dann sollte man kindgerecht aber auch wahrheitsgemäß darauf antworten.

"Eltern müssen Orientierung geben", sagt Wilfried Griebel, Psychologe und langjähriger Mitarbeiter des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. (Foto: Regine Paulsteiner)

Was würden Sie konkret sagen?

"Wir sind immer umgeben von Keimen und tragen auch welche in uns, aber manche verursachen Krankheiten. Gegen diese Krankheiten kann sich der Körper normalerweise wehren. Aber das Coronavirus kennt unser Körper noch nicht. Und es gibt auch noch keine Impfstoffe oder Medikamente dagegen. Deswegen müssen wir alles tun, damit es sich nur langsam verbreitet, indem wir uns beispielsweise immer gründlich die Hände waschen, und Forscher so Zeit haben, um Gegenmittel entwickeln zu können. Das Virus ist für dich nicht gefährlich."

Für andere kann es aber gefährlich sein. Zum Beispiel die eigenen Großeltern.

Gut, aber Besuche dort abzusagen, halte ich für kontraproduktiv. Ich habe selbst Enkelkinder, natürlich dürfen die mich besuchen und ich springe auch ein, sollte es zu einem Betreuungsengpass kommen, weil eine Kita schließt.

Der Leiter der Virologie der Berliner Charité, Christian Drosten, empfiehlt, dass Kinder, die im Verdacht stehen, infiziert zu sein, bis "zum September oder Oktober nicht mehr bei Oma und Opa zur Betreuung" kommen sollen.

Im Zuge dieser Krise sollten sich Familien auf jeden Fall ärztlichen Rat einholen, wenn mit Kontakten gesundheitliche Risiken für Familienmitglieder verbunden sind. Wie bei anderen Krankheiten auch! Im Schnitt werden deutsche Eltern mit 52 Jahren Großeltern; also Großeltern sind nicht unbedingt sehr alt und längst nicht alle sind chronisch krank. Es gelten jetzt andere Hygienestandards, die natürlich unbedingt eingehalten werden müssen. Es ist Aufgabe der Eltern, da wirklich hinterher zu sein. Aber bitte, nicht drohen und sagen: "Wenn du dir nicht ordentlich die Hände wäschst, können wir alle krank werden." Das macht Kindern Angst. Solche Sätze können sie schwer einordnen. Ein Virus ist eben auch etwas sehr Abstraktes.

Aber dann auch wieder sehr konkret. Schulen werden geschlossen, Supermärkte leer gekauft, Veranstaltungen abgesagt. Wie erkläre ich Kindern das?

Mit dem gleichen Argument wie vorhin: "Unser Alltag wird für eine Weile ein wenig anders aussehen, damit sich das Virus nicht so schnell verbreiten kann. Manche kaufen jetzt sehr viel Toilettenpapier, Nudeln oder Desinfektionsmittel, aber das ist nicht notwendig." Ich halte es auch für eine gute Idee, sich gemeinsam zu informieren, beispielsweise auf seriösen Internetseiten. Dann sehen Eltern und Kind: Aha, viele der Desinfektionsmittel aus Drogerien helfen überhaupt nicht gegen Viren. Mit Hamsterkäufen handelt man sehr egoistisch und sie bringen nichts. Wobei diese Übersprunghandlungen für mich auch ein Zeichen für ein anderes Sender-Empfänger-Problem ist: Einige hier in Deutschland fühlen sich von Seiten der Behörden offenbar nicht gut informiert, das macht sie ängstlich.

Kinder haben andere Ängste als Erwachsene und formulieren sie auch nicht immer unbedingt. Was sind Anzeichen dafür, dass es ihnen in Zeiten von Corona nicht gut geht?

Wenn sie plötzlich schweigsamer sind. Ihr Zimmer nicht verlassen. Oder: Aus dem Zimmer gehen, wenn dort die Fernsehnachrichten gezeigt werden. Ja, Kinder haben andere Ängste, manche glauben, unter ihrem Bett schlafe ein Drache. Und ob eingebildete oder reale Ängste: Man sollte immer darauf eingehen und mit ihnen darüber reden.

Erwachsene verarbeiten ihre eigenen Ängste ja oft auch, indem sie darüber Witze machen. Sollte man Kindern hin und wieder auch mit Humor kommen?

Ich habe neulich auch einen Witz gemacht, gegenüber meiner Enkelin. Meine Frau ist zu ihrer wöchentlichen Chorprobe aufgebrochen und ich habe gesagt: Sie hat den Chor-Oma-Virus. Meine Enkelin ist allerdings erst anderthalb Jahre, viel zu klein, um das zu verstehen. Bei älteren Kindern würde ich von Witzen abraten. Die brauchen Orientierung, das würde sie nur verwirren.

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