Am Dienstag schaute die Welt nach dem Absturz der Germanwings-Maschine auf Düsseldorf und eine leere Anzeigetafel. Am Mittwoch schaute sie auf Haltern am See, wo 18 Opfer zu beklagen sind. Immer war vom Mitgefühl die Rede, vom enger Zusammenrücken.
Nun schaut die Welt auf Montabaur, auf die Stadt des möglichen Täters. "Ich weigere mich zu glauben, dass er damit etwas zu tun hat", sagt Johannes Roßbach, der nach eigenen Angaben in der Nähe der Familie von Andreas L. wohnt, dem Copiloten, der die Germanwings-Maschine offenbar zum Absturz brachte. Unauffällig und höflich sei L. gewesen.
Am Mittwoch noch war Andreas L. so etwas wie ein Held. Der LSC Westerwald, bei dem der 27-Jährige das Fliegen lernte, würdigte ihn als "Offizier", der im "Einsatz" starb. Es klang ein wenig so, als sei da ein Soldat im Krieg für eine gute Sache gefallen. Am Donnerstag sieht es eher so aus, als habe Andreas L. einen Krieg gegen die Welt geführt, mit seinem Flugzeug, 149 Menschen umgebracht und sich selbst auch.
"Er wollte seinen Traum, das Fliegen, verwirklicht sehen"
Er kommt aus Montabaur, einer Stadt in Rheinland-Pfalz, die viele bisher nur als Halt im Niemandsland auf der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt kannten. Ja, Andreas L. habe hier gewohnt, "insofern ist schon Betroffenheit da", sagt die Bürgermeisterin von Montabaur.
L. wohnte hier mit seinen Eltern, in einem stattlichen Einfamilienhaus. Der Flugsportverein ist nicht weit, L., so erzählen es seine Kameraden, wollte hoch hinaus. Was sie stolz machte. Der Nachruf des Vereins klingt, als habe es ein Kicker aus der Provinz hoch in die Bundesliga geschafft: "Er wollte seinen Traum, das Fliegen, verwirklicht sehen. Er begann als Segelflugschüler und schaffte es bis zum Piloten auf einem Airbus A320."
Jetzt ist der, der es nach oben geschafft hat, ein mutmaßlicher Massenmörder. Und seine Eltern auf der Flucht, vor der Presse und vielleicht auch vor der Wahrheit. Sollte alles so sein, wie es jetzt aussieht, erwartet sie ein Leben im Untergrund. So wie es die Eltern von Tim K. führen, dem Amokläufer von Winnenden.
Klaus Radke steht vor dem Flugsportverein Westerwald und sagt, für L. gelte die Unschuldsvermutung. Erst im vergangenen Jahr sei er da gewesen, um seine Lizenz zu erneuern. Scheinerhaltung, nennt man das in der Fliegerei. Der Schein, den L. erhalten hat, ist offenbar ein anderer gewesen, als viele dachten.
L. habe in Montabaur sein Abitur gemacht, habe hier viele Freunde gehabt und seine fliegerische Ausbildung hier begonnen, sagt Radke. Danach ging es bei der Lufthansa in Bremen weiter.
Radke steht im Hangar des kleinen Segelflugplatzes mit einer Rasenpiste. Ein guter Flieger sei L. gewesen, sagt er. Er trägt eine dunkle Sonnenbrille und bittet um Geduld, er ist einer der wenigen Fürsprecher, die Andreas L. noch hat auf dieser Welt. "Jeder will jetzt schnell Antworten, aber was wissen wir denn schon?"
Die Beweislage gegen L. zumindest ist erdrückend.