Jahrestag des Terroranschlags:Außen Stahlgitter, innen Tannenzweige

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Am 19. Dezember 2016 tötete ein Attentäter auf dem Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zwölf Besucher. (Foto: imago images/Müller-Stauffenberg)

Vor drei Jahren tötete der Tunesier Anis Amri mit einem Lkw zwölf Menschen auf dem Berliner Breitscheidplatz. Heute gleicht der Weihnachtsmarkt einer Sperrzone.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Es ist elf Uhr an einem Vormittag mitten in der Woche, ein Zeitpunkt, zu dem sich der Geist eines Weihnachtsmarktes noch nicht richtig entfalten kann. Etwas verloren stehen einzelne Besucher mit Glühwein in der Hand zwischen den Buden am Breitscheidplatz, eine Frau in einem pelzähnlichen Mantel isst einen kandierten Apfel, es riecht leicht nach Fettgebackenem. Ende November hat der Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zum 36. Mal eröffnet, und an diesem Donnerstag jährt sich zum dritten Mal der Terroranschlag, bei dem der Tunesier Anis Amri mit einem Lkw zwölf Besucher ermordete.

Was sofort auffällt auf dem Breitscheidplatz, ist der Unterschied zwischen Außen und Innen: Von außen wirkt der Weihnachtsmarkt wie eine Sperrzone, ein besonders gesichertes Grenzgebiet. Schäferhundehüttengroße Stahlgitterkörbe gefüllt mit Sandsäcken sollen Anschläge wie den vom 19. Dezember 2016 verhindern; dazwischen gewähren rot-weiß-gestreifte Metallpoller auf stählernen Rampen sehr beschränkt Zugang.

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Doch so martialisch die Sicherheitskonstruktion wirkt, so wenig spürt man davon im Innern. Buden, Weihnachtsschmuck und Tannenzweige verbergen sie geschickt. Nur einige Kerzen und das Mahnmal mit den in die Treppenstufen eingravierten Namen der Opfer erinnern noch an den Anschlag. Die meisten der Budenbetreiber sind seit Jahren hier, sie haben miterlebt, wie Anis Amri mit dem Lkw in den Weihnachtsmarkt raste. Reden möchten sie darüber jedoch nicht, die Mitarbeiterin des Schaustellerverbands hatte davor bereits gewarnt.

Die Besitzerin eines Glühweinstandes spricht dann doch, nur ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen: "Das ist ein schöner, kleiner Markt hier. Wir wollen den Anschlag hinter uns lassen." Da ihr Stand etwas abseits des Tatorts liegt, habe sie von dem Attentat anfangs gar nichts mitbekommen. Zwei Tage später aber dafür um so mehr. "Als wir wieder eröffnet haben, haben mir die Hände gezittert." Heute, drei Jahre danach, ist sie eher fatalistisch: "Das müssen sie ausblenden, sonst können sie nicht überleben", sagt sie. "Inzwischen können sie solche Anschläge ja überall erleben, auf der Straße, im Zug." Die Frau arbeitet seit mehr als 30 Jahren am Breitscheidplatz, sie liebt diesen Ort offensichtlich. "Ich freue mich jeden Winter darauf, vor allem auf unsere Stammkunden." Das Sicherheitskonzept habe auch sein Gutes, sagt sie. Weil der Verkehr rund um den Markt stark eingeschränkt wurde, "ist es ganz ruhig hier geworden, viel besinnlicher". Nur mit der Gedenkzeremonie, mit der hadert die Standbesitzerin: "Da wird alles abgedunkelt, die Glocken läuten, das macht mir richtig Angst."

Zumindest am Sicherheitskonzept soll sich künftig etwas ändern, Anwohner und Ladenbesitzer hatten sich beschwert. Deshalb wird der Breitscheidplatz 2020 großflächig umgebaut. Die Bordsteine werden auf 60 Zentimeter angehoben, ein großer stählerner "Berlin"-Schriftzug und mit Sandsäcken gefüllte Sitzbänke dienen als unauffälligere Sperren. Und der Weihnachtsmarkt wird dann auch von außen aussehen wie ein Weihnachtsmarkt, und nicht wie eine Festung.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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