Frankreich:Ein Teenager, der das ganze Land in Aufruhr versetzt

Lesezeit: 2 min

Bombendrohungen haben teure Polizeieinsätze zur Folge. (Foto: Julien De Rosa/dpa)

Ein 13-jähriger Junge aus Westfrankreich soll 380 Bombenalarme ausgelöst haben - aus Langeweile. Für seine Familie könnte das jetzt ziemlich teuer werden.

Von Oliver Meiler, Paris

Man fragt sich ja immer, wie jemand auf die Idee kommen kann, Bombendrohungen vorzutäuschen. Mit anonymen Anrufen bei der Polizei, mit Posts im Internet. In Frankreich hat die Justiz einen 13-Jährigen aus Laval im Pays de la Loire in Gewahrsam genommen, der zugab, Hunderte solcher Drohungen gefälscht zu haben, mit seinem Computer. Die Justiz nimmt an, dass es etwa 380 gewesen sein könnten, verteilt auf ganz Frankreich. Der Teenager benutzte dafür ein VPN, ein Programm, mit dem die Verortung des Computers verhindert werden kann.

Dank einer aufwendigen internationalen Recherche gelang es der französischen Polizei, das Zuhause des Jungen zu lokalisieren. Sie nahm zunächst die gesamte Familie fest, behielt dann aber nur den jüngsten Sohn, wie die Zeitung Le Parisien in ihrer exklusiven Geschichte berichtet. Der Schüler, der offenbar psychische Probleme hat, erzählte den Ermittlern, das sei nur ein Spiel gewesen, es gebe da weder politische noch religiöse Beweggründe für sein Handeln. Der Krieg in Nahost? Auch der treibe ihn nicht an.

Das aber war die Vermutung der französischen Regierung gewesen - ein Überschwappen. Im Nachgang zum Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem Gegenschlag der israelischen Armee in Gaza hatte es in Frankreich nämlich Hunderte Bombenalarme gegeben. An gewissen Tagen mussten deshalb große Museen, Gerichte, Schulen, Bahnhöfe und Flughäfen evakuiert werden. Das Musée du Louvre mehrmals, das Schloss Versailles auch, der Bahnhof Gare de Lyon. Menschen in Angst, Flugausfälle, horrende Kosten.

Die Justiz spricht von "schlechten Scherzen"

Der Staat hat in solchen Fällen gar keine andere Wahl: Er muss reagieren, egal, wie glaubwürdig die Drohungen anmuten. Gerade der französische Staat steht im besonderen Maß unter Druck: Das Land hat schon so viele Terroranschläge erlebt, man zögert nicht. Auch als Folge dieser Häufung von Bombendrohungen hatte die französische Regierung im vergangenen Herbst die Terrorwarnstufe "Urgence attentat" ausgerufen. Es gibt kein höheres Niveau im dreistufigen Sicherheitsplan Vigipirate.

Doch schon bald sprach Frankreichs Justizminister Éric Dupond-Moretti davon, man werde "diese kleinen Kasper" schon finden. 192 Ermittlungen zu falschen Bombenalarmen wurden eröffnet, 30 davon waren ergiebig. Oft handle es sich dabei um "Minderjährige oder junge Erwachsene", wie der Parisien von den Justizbehörden erfahren hat. "Eine immense Mehrheit der aufgespürten und verhafteten Personen hat keine Beziehung zu Attentaten oder zur internationalen Situation." Sie handeln aus Langeweile, aus böser Dummheit. Die Justiz spricht von "schlechten Scherzen" - mit strafrechtlichen Folgen für die "Kasper" und deren Familien.

Auf den Tatbestand "Verbreitung von Falschnachrichten mit der Absicht, eine gefährliche Zerstörung oder eine Todesdrohung vorzutäuschen", wie es - paraphrasiert - im Gesetz heißt, stehen Gefängnis- und Geldstrafen: zwei bis drei Jahre Haft sowie 30 000 bis 45 000 Euro Buße. Wenn es sich beim Täter um einen Minderjährigen handelt wie in diesem Fall, kann es vorkommen, dass das Gericht die Eltern dazu verurteilt, den angerichteten Schaden zu begleichen. Hier geht der Schaden in die Millionen, allein für die zusätzliche Mobilisierung der Polizei.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGypsy Rose Blanchard
:Mörderin und Social-Media-Star

Mehr als 20 Jahre lang wird Gypsy Rose Blanchard von ihrer Mutter misshandelt - bis sie sie ermorden lässt. Jetzt, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis, ist sie zum ersten Mal frei und will die Deutungshoheit über ihr Leben zurück.

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: