Die Invalidenstraße ist eine typische Straße in der Berliner Innenstadt. Läden und Cafés, Trambahnschienen, dichter Verkehr. Kein Ort, an dem man sehr schnell mit dem Auto unterwegs sein könnte. Und dennoch raste hier am Freitagabend ein Fahrzeug auf einen Gehweg und überschlug sich. Vier Menschen starben noch am Unfallort, unter anderem ein kleiner Junge und seine Oma. Das Kind wurde vor den Augen seiner Mutter und eines weiteren Jungen getötet, es war drei Jahre alt.
Noch ist nicht klar, warum der Fahrer des Porsche Macan, auf der rechten Fahrspur fahrend, plötzlich nach links auf den Bürgersteig abkam, wo er mehrere Metallpoller und eine Ampel umriss und schließlich in einen Bauzaun krachte. Die Berliner Polizei prüft derzeit nach eigenen Angaben verschiedene Unfallursachen. Ob es einen medizinischen Grund gibt, der Fahrer also vielleicht einen Krampf hatte, oder ob er unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stand. Auch ein technisches Versagen des Autos wird nicht ausgeschlossen. Fest steht bislang nur, dass der Mann viel zu schnell unterwegs war - in der Invalidenstraße gilt Tempo 50, in der abzweigenden Nebenstraße sogar nur Tempo 30. Der Fahrer ist 42 Jahre alt und war zusammen mit einer 67-jährigen Frau unterwegs, auf dem Rücksitz saß noch ein sechsjähriges Mädchen. Der Mann erlitt Kopfverletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht.
Bei Geländewagen werde jeder Fahrfehler "zur Lebensgefahr für Unschuldige", finden Kritiker
Während die Polizei am Wochenende noch mit der Spurensuche beschäftigt war, entbrannte in Berlin eine heftige Debatte über die Art des Fahrzeugs, das den Unfall verursachte: ein sogenanntes Sport Utility Vehicle, kurz: SUV. Solche Autos hätten "in unseren Städten nichts zu suchen", schrieb die Deutsche Umwelthilfe auf Twitter. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Politiker Stephan Dassel, Bürgermeister des Bezirks Berlin-Mitte, in dem die Unfallstelle liegt. "Panzerähnliche" Autos hätten in der Stadt nichts verloren, sie seien zudem "Klimakiller" und "auch ohne Unfall bedrohlich", so Dassel: "Jeder Fahrfehler wird zur Lebensgefahr für Unschuldige."
Der Kreuzberger Planungsstadtrat Florian Schmidt (Grüne) sieht in dem Unfall "Symbolcharakter". Die derzeit so beliebten und von den Automobilkonzernen stark beworbenen Geländewagen und SUVs hätten zu einer "Autokultur des Ich, Ich, Ich" geführt. Schmidt fordert, "diese Wagen und noch viele mehr" aus öffentlichen Räumen zu "entfernen".
Gleichzeitig gerät die Berliner Politik selbst unter Druck. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich eigentlich eine Verkehrswende verordnet - ein Mobilitätsgesetz, das erste seiner Art in Deutschland, soll Bahn- und Bus-, Rad- und Fußverkehr priorisieren. Davon aber ist nach Ansicht von Kritikern nicht besonders viel zu bemerken, vor allem die Verkehrssicherheit lasse in Berlin zu wünschen übrig. So gab es dem Statistischen Bundesamt zufolge 2018 in Berlin 45 Verkehrstote, neun mehr als noch im Jahr zuvor.
Dies war auch das Thema der Mahnwache, die am frühen Samstagabend an der Invalidenstraße stattfand. Mehrere Vereine hatten dazu aufgerufen, sie forderten Tempo 30 in der ganzen Stadt, eine autofreie Innenstadt und eine Ombudsperson für Verkehrsunfallopfer. Etwa 300 Menschen kamen zusammen, sie brachten Blumen und hielten vier Schweigeminuten ab, für jeden Toten eine.