SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Ich bin sehr enttäuscht von Gerhard Schröder"

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Gerhard Schröder, damals noch Bundeskanzler, bestellt 2003 in Berlin eine von ihm so geschätzte Currywurst. (Foto: Thomas Imo/imago/photothek)

In der "Ständigen Vertretung" in Berlin war der Altkanzler gern gesehener Gast, sein Foto prangte neben der Currywurst. Ein Anruf bei Wirt Jörn Brinkmann, der das nun ändern will.

Interview von Friedrich Conradi

Die "Ständige Vertretung" in Berlin ist wahrscheinlich der wichtigste politische Treffpunkt außerhalb des Regierungsviertels. In dem urigen Lokal am Schiffbauerdamm, das nach der von 1974 bis zur Wiedervereinigung bestehenden ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR benannt ist, steht alles im Zeichen des politischen Betriebs. Hier gehen Abgeordnete und Medienleute ein und aus, überall sieht man Fotos von prominenten Politikern und Politikerinnen. Und manchmal wird hier auch Politik gemacht: Gerade hat der Wirt Jörn Brinkmann ein Foto von Gerhard Schröder aus der Speisekarte entfernt, wegen dessen Nähe zu Putin.

SZ: Herr Brinkmann, Sie haben Gerhard Schröder also aus Ihrer Speisekarte verbannt?

Jörn Brinkmann: Das Bild gehört zu dem Gericht "Altkanzlerfilet", der Currywurst. Wir werden den gesamten Speisekartensatz erneuern, wir drucken gerade, ohne Herrn Schröder.

Können Sie selbst das Altkanzlerfilet denn überhaupt noch genießen?

Nein, nicht mehr. Das liegt aber weniger an Herrn Schröder als daran, dass man sich als Gastronom irgendwann an den Speisen des eigenen Restaurants überisst. Auch wenn die Currywurst wirklich lecker ist. Ein Klassiker für Berliner und Touristen eben.

Was hat denn dazu geführt, dass Sie die Karte nun ändern wollen?

Das waren auch die Reaktionen von Gästen, die Unverständnis darüber geäußert haben, dass wir noch das Bild in der Karte haben. Aber auch ich bin sehr enttäuscht von Gerhard Schröder. Er war ein Gast, den wir hier eigentlich immer gern begrüßt haben, mit dem ich gute Gespräche hatte und der immer viel Trinkgeld gab. Letzteres erlebt man übrigens nicht gerade bei jedem Politiker. Dass Schröder es verpasst hat, sich von Putin zu distanzieren, ist bedauerlich.

An der Wand bei Ihnen hängen ebenfalls alle Altkanzler. Bleibt er denn da hängen?

Ja. Das ist aber auch etwas anderes. Auch wenn er sich nun falsch verhält, gehört Schröder zur Geschichte Deutschlands. Das Bild an der Wand ist eher Teil einer Sammlung historischer Persönlichkeiten und unterscheidet sich dadurch vom Bild in der Karte. Ein Gericht nach Herrn Schröder benennen möchten wir nicht mehr.

Mussten Sie so etwas schon einmal machen?

Ja. Das Bild des Erzbischofs Rainer Maria Woelki wird auch verschwinden. Sein Gesicht wurde bereits von einem Gast mit einem Klebestreifen überklebt, das haben wir auch so gelassen. Nun werden wir das Foto ganz entfernen. Es gibt in dem Fall einfach zu viele Ungereimtheiten.

Sind Sie der SPD mit dem Ausschluss Schröders aus der Speisekarte voraus?

Ja, auch wenn ich Parteiausschlussverfahren schwierig finde. Es kommen übrigens viele SPD-Mitglieder bei uns vorbei. Zum Beispiel Kevin Kühnert war letztens hier. In der Ständigen Vertretung wird unter den Gästen, ob Politiker oder nicht, dann auch lebhaft diskutiert. Wenn es aber um ein Thema wie diesen Krieg in der Ukraine und Wladimir Putin geht, sind wir uns, denke ich, alle einig, dass man sich davon zu distanzieren hat.

Der 40-jährige Düsseldorfer Jörn Brinkmann kam 2010 nach Berlin. Nach einer Lehre zum Hotelfachmann studierte er Tourismus in Bielefeld und arbeitete in Costa Rica, Ecuador, den USA und Griechenland. Vor neun Jahren übernahm Brinkmann gemeinsam mit Jan Bubinger die "Ständige Vertretung" in Berlin-Mitte. (Foto: Ronny Wunderlich)

Gibt es denn schon Neuzugänge für Ihre Speisekarte? Kühnert mit einer veganen Frikadelle zum Beispiel? Und nach wem wird die Currywurst jetzt benannt?

Nein, noch gibt es keine Neuzugänge. Die Currywurst heißt jetzt erst einmal einfach Currywurst. Eine Besonderheit gibt es dieses Jahr allerdings. Zum 25. Jubiläum der Ständigen Vertretung werden auf einer Seite zahlreiche Politiker gedruckt, die hier ein und aus gehen. Auch aus der aktuellen Regierung sind viele dabei. Ich hoffe, dass sie sich keine schweren Ausrutscher leisten und wir sie am Ende wieder entfernen müssen.

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