Missbrauchsfall Bergisch Gladbach:Bundesweite Durchsuchungen bei Tatverdächtigen

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Der 43-Jährige Angeklagte im Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sitzt am 17. August neben seinem Verteidiger im Kölner Landgericht. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Polizei hat Wohnungen von 50 Tatverdächtigen in dem Missbrauchsfall durchsucht. Dabei wurden vier Personen leicht verletzt.

Im Zuge der Ermittlungen zum Missbrauchsfall Bergisch Gladbach hat die Polizei am Dienstag bundesweit Wohnungen von 50 Tatverdächtigen durchsucht. Es gehe um den Verdacht des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie, teilte die Kölner Staatsanwaltschaft mit. "Auf Grundlage umfangreicher Datenauswertungen" der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) "Berg" habe die bei der Staatsanwaltschaft Köln angesiedelte Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) Beschlüsse für die Durchsuchungen erwirkt.

Nach Angaben der Polizei waren an mehreren Orten Spezialeinheiten im Einsatz. "Vier Personen wurden nach bisherigen Erkenntnissen leicht verletzt", so die Ermittler. Die Einsatzmaßnahmen seien noch nicht ganz abgeschlossen, hieß es in einer Mitteilung am Nachmittag. Eine "erste Sichtung und Bewertung sichergestellter Beweismittel" sei bereits im Gange.

Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach
:Vor der Kamera des Vaters

Jörg L. ist die zentrale Figur in dem riesigen Tatkomplex von Bergisch Gladbach. Er soll seine Tochter dutzendfach sexuell missbraucht und die Filme mit anderen Männern geteilt haben. Nun hat der Prozess gegen ihn am Landgericht Köln begonnen.

Von Jana Stegemann

In früheren Fällen hatte die NRW-Polizei wichtige Beweismittel wie Festplatten und Akten bereits per Hubschrauber in andere Bundesländer fliegen lassen, weil es bei den großen Datenmengen schneller ging als über eine sichere Datenleitung. Der Hintergrund: Sobald der Verdacht besteht, dass ein Kind noch immer missbraucht wird, soll keine Zeit verloren gehen.

An diesem Mittwoch (2. September) wollen die Ermittler Einzelheiten zu den Razzien nennen. Die Ermittlungen rund um den Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach hatten bis Ende August bereits zu Spuren in alle Bundesländer und ins Ausland geführt. Mit Stand 27. August wurde alleine in NRW gegen mehr als 80 Beschuldigte ermittelt, zehn Menschen waren bereits angeklagt, einer in Haft, acht in Untersuchungshaft.

Ende Juni hatte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) mitgeteilt, dass die Ermittler im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach auf 30 000 Spuren gestoßen seien, die zu potenziell mehr als 30 000 Verdächtigen, Tatorten und Opfern führen könnten. Es gehe dabei nicht nur um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie, sondern auch um schweren Kindesmissbrauch.

Verhandlung gegen 43-Jährigen schreitet voran

Erst kürzlich waren bei der Gerichtsverhandlung gegen einen 43-Jährigen weitere schreckliche Details zu dem bundesweiten Missbrauchfalls bekannt geworden. Demnach könnte der Mann bereits einen Tag nach der Geburt seiner Tochter den Missbrauch des Mädchens geplant haben. Diese Einschätzung äußerte die Ermittlungsleiterin in dem Fall, die am vergangenen Donnerstag vor dem Kölner Landgericht als Zeugin auftrat. "Es scheint wahrscheinlich, dass er da schon den Missbrauch der Tochter ins Auge gefasst hat", sagte sie. So habe er bereits einen Tag nach der Geburt des Kindes im April 2017 Familientreffen mit pädosexuellen Chatpartnern angeregt. Ziel sei wohl gewesen, das Mädchen schnell an diese zu gewöhnen.

Der Angeklagte gilt als zentrale Figur im sogenannten Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach. Er soll immer wieder seine Tochter missbraucht haben. Bei Hausdurchsuchungen im Herbst 2019 wurden in seinem Einfamilienhaus in Bergisch Gladbach große Mengen kinderpornografischen Materials sowie Chatprotokolle mit Gleichgesinnten sichergestellt. Diese brachten Ermittlungen gegen ein Geflecht von vielen weiteren Verdächtigen ins Rollen. Er hat sich zu den Vorwürfen geäußert, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die Ermittlungsleiterin widersprach vor Gericht allerdings der Darstellung, nach der der Angeklagte frühzeitig im Ermittlungsverfahren bei der Identifikation seiner Chatpartner mitgeholfen habe. "Wir haben keinerlei Namen bekommen und keine Adressen", sagte sie. Eine weitere Ermittlerin, die ebenfalls aussagte, zeichnete das Bild eines notorischen Konsumenten von Kinderpornografie. Laut diversen ausgewerteten Chats habe er sich seit etwa 20 Jahren mit entsprechendem Material beschäftigt. Mit den Jahren habe sich die Intensität gesteigert. In der Zeit vor der Festnahme im Oktober 2019 habe der 43-Jährige sehr viel Zeit in pädosexuellen Chatgruppen verbracht: "Er hatte großes Interesse, mit Leuten zu schreiben, die selbst Kinder missbrauchten."

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